GedichteJahr 2006

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 01 Quartal 2006




Der Wind

Erst wenn er stark ist,
nimmt man ihn wahr.
Erst wenn er laut ist,
nimmt man ihn zur Kenntnis.
Erst wenn er zerstört,
erkennt man ihn.
Erst wenn er peitscht,
spürt man ihn.
Erst wenn er pfeift,
hört man ihn.

Doch ist er leise,
so weiß niemand,
dass er jemals existierte.





Wie biegt man Holz?

Das Holz muss geformt werden,
es muss gebogen werden,
vielleicht ist das sogar der schwierigste Teil,
es darf nicht brechen.
Dann wäre alles umsonst gewesen!

Unter Dampf lässt sich Holz biegen
oder unter sehr langer Zeit.
Manche Bretter reagieren anders als andere,
als hätten sie ihren eigenen Kopf,
so, als ob sie selbst entscheiden würden,
wie sehr sie sich formen lassen.

Das macht das Zusammensetzen besonders schwer,
oft passt der Winkel nicht.

Die Bretter haben sich nicht einigen können,
einige wollen nicht ins Meer stechen.

So kann das Boot nur sinken
In die Tiefen
Bevor es ins Meer stach





Ein scheuer Waldbewohner

In den Wäldern lebt das Reh,
dort man es nur selten seh.
Meistens ist es sehr erschrocken,
macht sich dann schnell von den Socken.
Seine Spuren hinterlässt es nur im Schnee.





Die ewige Stadt am Tiber

An der ewigen Stadt am Tiber,
wurd ich krank und bekam Fieber.
So lautete des Arztes Diagnose,
der Gürtel war zu eng an meiner Hose.
Schon ging‘s mir besser, sang römische Lieder.





Dreiste Wahlfälschung an der Urne

Besserwisser
Er weiß es besser,
viel besser als andere,
auch als der Souverän,
der sein Kreuz doch nur
beliebig setzt.

Nein,
dem gemeinen Volk,
kann man
das nicht überlassen.
Pöbel!
Darf nicht wählen!

Der Wahlfälscher:
Er kann es
doch so viel besser.

Manipulation an der Wahlurne
Wahlgang umsonst
Verfälschung der Ergebnisse

Er hält sich für einen Vater,
einer,
der die unreifen Entscheidungen
seiner Kinder korrigiert.

An die Hand nehmen,
Kreuz machen,
lasst es mich tun.

Es kommt
ein gerechteres
Ergebnis zustande,
der festen Überzeugung
des Wahlfälschers nach.

Reifer
Überlegter
Gewissenhafter
Sicherer
Besser
Gefälschter
Untergeschobener
Betrügerischer
Undemokratischer





Der leugnende Lügner

Er streitet ab und lügt,
sucht nach Vorteil und betrügt.
Ausversehen sagt er mal was Wahres,
und strebt wieder nach Bares,
wenn er die Portemonnaies durchpflügt.





Putz das Haus

Putz das Haus,
kehr den Dreck raus.
Wir drohen zu vermüllen,
überall muss ich Milchtüten zerknüllen.
Hier wohnt auch schon eine Laus.





Der Königshecht
(japanisches Tanka-Gedicht)

Die Fische haben,
den ungekrönten König
als Wasserregent.

Der absolutistische
Machtanspruch unter Wasser!





Das grüne Laub um Legolas

Der Sohn von Thranduil trifft mit seinem Bogen,
ein Blatt in weiter Entfernung, ungelogen.
Sein Name heißt übersetzt Grünblatt,
mit seinen Pfeilen macht er alles platt.
So oft kann er mit seinem Können glätten die Wogen.





Die Pepperoni Pizza

Die Pizza mit Pepperoni,
die schmeckt vor allem Tony.
Es schmeckt dem Rest auch,
nur eine steht auf dem Schlauch.
Es ist die käsehassende Omi.





Das keltische Kreuz

Aus Stein gehauen,
in frühchristlicher Zeit,
sakrale Kunst,
auf heiligem Land.

Das Kreuz der Christen,
ein Sonnenrad aus Keltenland,
der heilige St. Patrick,
schafft ein Symbol,
vereinigt Christentum und keltische Kultur.

Vieles rätselhaft noch heute,
Glauben, Bräuche, Konventionen,
in Cornwall, Wales, im Schottenland,
Stätten der Versammlung, des Gebets,
markiert das irische Kreuz im grünen Land.





Das übervolle Fensterbrett

Aussehen, tut es nicht nett,
das übervolle Fensterbrett.
Man findet darauf alle möglichen Sachen,
wie eine Indianerfigur aus den Appalachen
und einem Topf voller Ölfett.





Ein irischer Mafiapate in den USA

Wenn ein Ire in den USA den Paten spielt,
er stets auf das Geld und die Macht schielt.
Die italienischen Mobster aus Providence,
sorgen in New York für eine Machtbalance.
Doch ein Ire immer die Oberhand behielt!





Der starre Blick der Hypnose
(japanisches Tanka-Gedicht)

Hypnotisierend.
Der Blick ist unverändert.
So starr, so grausam.

Leblose Augen eines
mächtig grausamen Wesens.





Das Haus des chinesischen Drachen

Er hortet einen chinesischen Schatz,
hat in seinem Drachenhaus viel Platz.
Doch etwas eigentümlich ist die Farbe,
genau wie sein verrücktes Gehabe
und sein ganzer Ansatz.





Die Erklärung der Menschenrechte

Unruhe im Land, Bauern und Andere,
alle setzen sich landesweit zur Wehr.

In Versailles, die Nationalversammlung beunruhigt,
ein Beschluss schnell gefunden, ein Zeichen gesetzt,
aufständischen Bauern gilt es zu beruhigen.

Im August 1789, Vorrechte abgeschafft,
Geistlichkeit und Adel, aller Privilegien beraubt.

Steuern zu zahlen, nun verpflichtet sie auch,
Leibeigenschaft abgeschafft, Feudalordnung dahin.

Menschenrechte verkündet,
alle Menschen sind frei,
Presse darf schreiben,
der Inhalt nun frei.

Der König nicht glücklich,
Rechte für alle,
nicht in seinem Sinn.

Unruhe, Demonstranten, Bewaffnete dabei,
ein Marsch nach Versailles,
die Bürgerrechte anzuerkennen,
der König wurde bezwungen.





Die alten Schriftrollen – The Elder Scrolls

Endlose Weiten solange das Auge reicht,
vor großen Feinden der Protagonist anfangs noch weicht.
Städte gibt es zu erkunden,
auch unterirdische Gänge wurden gefunden.
Die Geschichte ist manchmal etwas seicht.





Das traditionelle Festessen

Zu Weihnachten da gibt es Pute,
später Geschenke aus dem Sack aus Jute.
Mit der Füllung aus Maronen,
wird das Essen sich noch mehr lohnen.
Nur der Vogel zieht eine Schnute.





Hochmut und Prahlerei

Er hatte sich selbst überschätzt,
sich Fähigkeiten zugestanden,
die er gar nicht hatte.

Sich selbst geblendet
Andere getäuscht und belogen
Ein Hochstapler,
geschickt, aber durchtrieben!

Mit Tricks und Kniffen
Mit Lügen und Halbwahrheiten
So bahnte sich sein Weg

Mal überkam ihn selbst ein Schrecken,
da war die Überraschung groß,
weitere Angst, als er merkte,
sein Kartenhaus könnte zusammenstürzen!

Doch unbeirrt, so ging es weiter.
Der Gang der Täuschung immerfort
Er prahlte mit seinen Erfolgen,
stolzierte hier und dort.
Doch eines Tages nahm es ein Ende,
die Wende hart und gnadenlos,
so waren die Lügen beendet,
das waren sein Schicksal und sein Los.





Unter den Ärmsten der Armen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Vergraben im Loch
der Hoffnungslosigkeiten,
unrettbar traurig.

Lebenskampf an jedem Tag.
Wozu diese Plackerei?





Keine Bodenhaftung mehr
(japanisches Tanka-Gedicht)

Die Sprunggelenke,
wie eine Feder fliegt er
und landet so fest.

Keine Mauer ist zu hoch,
der Malinois erklimmt sie.





Sherlock Holmes

Der Detektiv, er deduziert,
auch wenn sich manche Spur verliert,
so findet er sie spielend wieder,
die Menschen singen auf ihn Lieder,
doch das ihn eigentlich nur geniert.





Versteck die Ostereier

Versteck die Ostereier,
für die schöne Feier.
Und zwar so, dass man sie finden kann,
wenn man sucht nicht allzu lang.
Dieselbe Feiertagsleier.





Aussicht aufs Armenhaus

Ohne Eltern aufgewachsen,
ohne Geld nun Erwachsen,
beste Chancen aufs Armenhaus,
Leben im schlimmsten Graus,
hier gibt es nicht mal Träume, die platzen!





Funktioniert Gier also doch?

Leitmotiv
Gewinnen
Über ihm steht niemand.
Er ist der Boss.
Der gierige CEO

Standards kommen von ihm.
Er setzt die Hürde.
Andere springen darüber.
Oder eben nicht.
Es kann ihm ja egal sein.
Er ist oben.

Sein etabliertes System,
es funktioniert.
Läuft rund und sauber
Das ewig drehende Hamsterrad
Er hält es am Laufen…





Der missratene Sohn

Sein Sohn, man mag es kaum glauben,
ist missraten und wird charakterlich nichts taugen.
Mitbekommen von der Güte seines Vaters,
hat er genauso wenig, wie von der Weisheit seines Beraters.
Er wird sich viele Verbrechen erlauben.





Der Panzerriegel an der Haustür

Die Haustür mit dem Panzerriegel
ist besser als ein einfacher Türriegel.
So bleiben Diebe ausgesperrt,
das Interieur unversehrt.
In Ruhe isst man seinen Müsliriegel.





Das Erbe Korinths

Die Bündnisse wechselten im Laufe der Zeit,
Athen, Argos, Korinth, Theben und Sparta soweit.
Mal kämpften sie gegeneinander,
mal standen sie zueinander.
Das Erbe ist die Einigkeit.





Der Holz-Kubus

Sechs Flächen an der Zahl
Hölzerne Fronten
Dunkelbraun und kalt

Zu groß, um in die Hand zu nehmen,
zu schwer, um zu würfeln,
es würde ohnehin immer
dieselbe Zahl herauskommen.
Die gleiche Chance
Derselbe Verlust

Zum Sitzen nicht geeignet,
zu hart, zu unscheinbar,
mit seiner brachialen Härte
hätte es keiner gewagt,
er beherrscht den Raum
durch stille Präsenz.

Ein Klima aus Holz
nur schwer zu ertragen.
Rausstellen scheidet aus,
er lässt sich nicht mehr rausbringen,
aus dem Raum,
aus dem Haus.

Die Zahl sechs,
sie kehrt wieder
in verschiedenen Varianten,
verfremdet, aber man erkennt sie.

Kein Würfel
Ein Kubus
Aus Holz





Die Terreur
(japanisches Tanka-Gedicht)

Die Machtposition:
Angst als Regierungskonzept.
Keinen Schritt weiter.

Horrorvorstellungen in
Realität umgesetzt.





Der wertvolle Stoßzahn
(japanisches Tanka-Gedicht)

Tod wegen Zähne
Der Stoßzahn als Trophäe
Kadaver am Rand

Für seltenes Material
geht es auch über Leichen.





Der Croque Monsieur

Dass croquer auf Französisch beißen heißt,
weiß kaum einer meist.
Doch Croque Monsieur hat schon jeder verzehrt,
ohne dass man sich um den Namen schert.
Dieses Verhalten ist feist.





Schlittschuhlaufen auf dem See

Ein großer See ist zugefroren,
so wird er als Spielplatz auserkoren.
Eiskunstläufer werden auf das Eis gelockt
und durch die Risse schwer geschockt.
Sie fallen ins Eiswasser, sie sind verloren!





Die Geburtsstunde eines Rechts auf Arbeit

Menschenwürde
Was macht,
einen Menschen aus?

Arbeit bringt Geld.
Ohne Geld eine Würde?
Ohne Würde ein Mensch?
Ohne Arbeit ein Mensch?

Fragen ohne Antworten
Gewissheit
Arbeit ist ein Recht!

Das Recht auf Arbeit
Es existiert
Ewiges Naturrecht
Schon immer da
Und wird auch ewig bleiben

Anerkannt werden
Einklagbares Recht?
Paradigmenwechsel





Der Gestörte von Gegenüber

Er schaut ohne Unterlass aus dem Fenster,
als sehe er beständig Gespenster.
Warum will er nur beobachten
und die Privatsphäre missachten?
Hat er Angst vor Gangster?





Überspringe die Latte

Überspringe die Latte,
lande sicher auf der Matte.
Das ist ganz einfach,
springe bloß nicht flach,
sondern wie eine geometrische Kurve in Mathe.





Der fehlende Ehevertrag
(japanisches Tanka-Gedicht)

Fehlender Vertrag,
zerrüttete Ehe, so
klingt mancher Alptraum.

Warum nicht vorher bedacht?
Warum nicht schriftlich gemacht?





Die nahe, gänzlich unbekannte Welt
(japanisches Tanka-Gedicht)

Unter Tage liegt
die wahre Größe im Meer,
so gewaltig blau.

Was für Kreaturen birgt
die unerforschte See noch?





Der goldene Handspiegel

Goldumrahmtes Abbild Deiner selbst
Goldener Rahmen des Spiegels

In den Händen haltend
die spiegelverkehrte Kopie meiner selbst

Spieglein, Spieglein in der Hand,
wo ist die schönste Kopie im ganzen Land?

Es liegt auf der Hand,
der Spiegel zerrinnt zu goldenem Sand,
er gleitet hindurch, durch meine Finger
und fällt wie Staub zu Boden.

In jedem Staubkorn das Abbild meiner selbst,
mikroskopisch klein und doch real,
ein tausendfaches Zerrbild, eine Qual.

Der Staub, er liegt beschämt zu Boden,
nur langsam wird er aufgehoben.





Kreisende Geier am Himmel

Gibt es etwas zu holen,
wie ein todkrankes Fohlen,
kreisen sie schon darüber
und beugen sich bald vornüber,
so schnell, als wie befohlen!





Der gute Kincaid

Der Detektiv Kincaid ermittelt im Stadtteil,
in dem jeder sich beständig sorgt um sein Heil.
In diesem Viertel ist die Bedrohung groß.
Das macht ihn manchmal ratlos.
Er wird von einem Messer verletzt, kein Beil.





Douglas aus Charlestown

Douglas kommt aus einem schlechten Bostoner Bezirk,
wo häufig geschossen wird und eine Kugel umherschwirrt.
Doch sein Viertel mag er dennoch gern,
auch wenn es ihm geschadet hat im Kern.
In dem Punkt hat sich Douglas stark geirrt.





Weißer Rauch nach der Wahl

Das Konklave
Die Pforten schließen sich,
verschlossen durch eine Kette.

Da sitzen sie nun,
sich gegenüber,
lauernd,
taxierend.

Welcher Kandidat?
Wer soll es sein?
Das Oberhaupt der Christen

Schwarzer Rauch,
den kennt man.
Uneinigkeit
Taktik und Geschiebe
Konkurrenten

Man könnte meinen,
ein Präsident stünde zur Wahl,
so sehr ist man daran erinnert.

Zwei Fraktionen
Zwei Kandidaten
Verhärtete Fronten
Streit im Vatikan

Vermittler,
sie versuchen zu verhandeln,
eine Lösung vorzuschlagen.

Keiner gibt nach.
Gesichtsverlust
vermeiden.

Der Streit eskaliert.
Wie lösen?
Keiner darf kriegen, was er will.

Ein Dritter muss her,
unparteiisch,
von keinem gewollt,
von keinem unterstützt.

Dieser Kardinal, der muss es sein!
Der ideale Kandidat,
die richtige Besetzung.
Weißer Rauch
Endlich





Die Fabrik ohne Arbeiter

Die Fabrik kommt ohne Arbeiter aus;
sie wirkt wie ein leeres Haus.
Überall herrscht die Automatik,
das ist die allerhöchste Stufe der Pragmatik.
Die Arbeiter sind schon lange raus.





Viele Teile eines einzigen Verstandes
(japanisches Tanka-Gedicht)

Bruchstücke eines
früheren Gesamtbildes
sind Einzelteile.

Für immer getrennt und für
alle Zeiten durchbrochen.





Die Geheimnisse im ewigen Eis
(japanisches Tanka-Gedicht)

Lang eingefroren
Das ewige Eis gibt preis,
was keiner gedacht.

Selbst das Fell noch erhalten.
Permafrostboden-Mammut





Die auditive Illusion

Unterschätzt
in allen Belangen,
kaum wahrgenommen.

Doch seine Stimme kennt jeder,
die des Synchronsprechers.
Er synchronisiert
unter großem Druck,
in kurzer Zeit,
gibt den Schauspielern eine Stimme.

Das Original?
Auditiv meist eine Enttäuschung.

Zu hell
zu schräg
zu schrill
einfach unpassend.

In der Synchronisation
da setzt man ihn zusammen,
den Super-Menschen.

Tolles Aussehen,
wohlklingende Stimme

Ein Produkt,
eine auditive Illusion.

Nichts ist mehr echt.
Perfektion im Klang,
sie wird erreicht.

Wie wichtig,
wie schwergewichtig
und doch kaum beachtet,
beim ständigen Zuhören.





Schluss

© 2021 Michael Stern https://www.lyrissima.de