GedichteJahr 2010

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 01 Quartal 2010




Donner und Blitz auf höchsten Spitzen

Schwüle,
selbst dort oben.

Gewitterfront bricht an
und mit ihm tosend Grollen
von Blitz und Donner.

Elektrisch aufgeladen
diese düsteren Wolken,
so grau-schwarz ausgemalt,
entladen werden sie sich.

Ein erster heller Strahl,
der Blitzstrahl wirft in Zacken
sich auf die Bergspitze.

Als wär’ er angezogen
von Stein und viel Geröll,
so bahnt er sich durch den Himmel
und landet oben auf.

Der Schall folgt langsam grollend,
nicht minder imposant,
fährt durch Berg und Tal
und auch durch Mark und Knochen.

Die hohe Voltzahl schädigt
und setzt den Bergen zu.
Die Bergspitzen, sie ziehen
alles an im Nu.

Blitz für Blitz,
Volt für Volt
hoch oben.





Kreidebilder der Vergänglichkeit

Mit Kreide gemalt,
bunter Kreide:
gelb,
rot,
blau,
grün,
etwas weiß.

Schönste Bilder
Gefälligste Kreationen
Kunstwerke auf der Straße

Werke für Stunden,
manchmal sogar eher Minuten,
Straßenbilder der Vergänglichkeit.

Hinweggefegt vom Regen,
ausgewaschen vom Wasser,
für immer entstellt und zerstört,
Kreide von den Elementen gefressen.

Der Straßenmaler malt weiter,
ohne Unterlass
fertigt er neue Kreationen.

Er versteht sein Handwerk.
Mühseligkeit
Kunst ohne Gegenleistung
L’art pour l’art

Alltag mit Kreide
Kunst auf den Steinen
Die Mona Lisa auf der Straße
Sie weint.





Die Neujahrsansprache

Zu jedem Jahr dieselben Worte,
wie gern hätt ich doch eine Torte.
Und werfe sie dann mit voller Wucht,
in das alternativlose Lügenkonstrukt,
eine Ansprache der schönsten Sorte.





Die römischen Thermen

Manch einer gerät schnell ins Schwärmen,
wenn er die Ruinen sieht der römischen Thermen.
Hier wurde sich königlich gewaschen,
einen Blick in die luxuriöse Vergangenheit kann man erhaschen.
Wer möchte sich hier nicht gern wärmen?





Die herausfordernde Kommunikation

Hektik in einer neuen Dimension
Zeitdruck extrem

Alles scheint nur noch
aus E-Mails zu bestehen.

Die ganze Welt, sie kommuniziert in E-Mails
und überlangen Anhängen.
Ständig, permanent,
das Programm zeigt sie an:
drei ungelesene Mails.

Datenflut
Digitale Bedröhnung
Kommunikation 5.0

Eine neue Dimension des Briefes,
schneller, leichter und mehr Inhalt.
Belangloses wiederholt sich,
wird in die Länge gezogen,
nichtssagende Anhänge,
unklare Formulierungen,
für eine oberste Bundesbehörde
nicht würdig.

Mailflut am Tag
Mailebbe in der Nacht

Am nächsten Morgen
setzt die Flut wieder ein,
schneller und weiter als sonst.
Land unter!
Am Schreibtisch des Ministerialbeamten





Der Hilfsarbeiter am Warten

Alle warten auf den Hilfsarbeiter,
ja nun denn, wo bleibt er?
Er mag nicht gern die Hilfsarbeit,
schätzt nicht die niedere Tätigkeit.
Jetzt geht die Arbeit endlich weiter.





Du solltest feucht durchwischen

Du solltest feucht durchwischen,
der Dreck fällt von den Tischen.
Und sammelt sich auf dem Teppich,
genau dort wird es dreckig.
Und vergess nicht die Nischen.





Der kleine gefleckte Katzenhai
(japanisches Tanka-Gedicht)

Eine gefleckte
kleine Katze als Haifisch.
Stubentiger taucht.

Mehr Abschreckung, als Angriff.
Eher Schein, als wirklich Sein.





Wenn fünf Heere sich bekriegen

Wenn fünf Heere sich bekriegen,
wird wohl kaum einer noch siegen.
Es kämpfen Zwerge gegen Elben,
Menschen und Orks gegen dieselben.
Und Adler werden herbeifliegen.





Das Käsesoufflé

Das Käsesoufflé ist aufgebacken,
die richtige Höhe wird es packen.
Knusprig gelb ist es geworden,
dafür gibt’s einen Küchenorden.
Es ist so ganz ohne Macken.





Papst Innozenz

Des Mittelalters wichtigster Mensch,
ein Wunderwesen von einzigartiger Natur,
der Stellvertreter Christi auf Erden,
Führer der Christenheit,
Papsttum auf dem Gipfel der Macht.

Thronfolgen deutscher Könige und Kaiser entwirrt,
Schiedsrichter Gottes beim Streit um den Thron,
sichernd den Vorrang geistlicher vor weltlicher Macht.

Zum Konzil auch gerufen,
die größte Versammlung bisher,
Glaube und Reform,
Sakramente wie Reliquien,
Kreuzzüge, die Haltung zur Ketzerei,
kirchenamtlich alles geregelt nun.

Auch Dominikaner und Franziskaner,
als Orden anerkannt,
ein Kreuzzug in die Katastrophe,
geplündert, verwüstet, ein Kreuzfahrerheer,
in Konstantinopel, ein Juwel der Christenheit nicht mehr.





Die Familienwand voller Fotographien

Die Wand ist voll von Fotographie.
Es ist die Familiengalerie.
Alle Familienmitglieder
tauchen auf, immer und immer wieder.
Die Bilder scheinen zu enden nie.





Der ruchlose Bücherjäger

Tagsüber ist er Antiquar von Beruf,
doch als Bücherjäger, ist viel größer sein Ruf.
Er arbeitet für Reiche und für einen Verleger,
sorgt für mehr als nur gelegentliche Aufreger.
Mit Rücksichtslosigkeit er sein Ansehen erschuf.





Wenn alles in den Hintergrund gerät
(japanisches Tanka-Gedicht)

Käfig-Augenfang:
Durchdringend diese Farbe!
Einmaliges Gelb.

Der Kanarienvogel,
nur diese eine Sache!





Überzeugungen und Leidenschaften

Leidenschaft trägt einen weit,
doch Überzeugung überdauert die Zeit.
Wenn die Zeichen auf Sturm stehen,
lässt sie sich nicht niederwehen
und steht stets bereit.





Vom Busch

Dunkle Zweige,
am Ende verjüngt,
recken ihre Spitzen in die Luft.

Am Morgen weiß vom Reif,
in den Astgabeln
steckt ein wenig Schnee.

Der Winter liegt über dem Land.
Klirrend kalt in der Nacht,
am Tage erste warme Strahlen.
Die Sonne steht höher,
der Winter vertrieben.

Der Busch ergrünt,
erst Knospen, dann Blätter,
am Ende dichtes Blattwerk,
undurchdringlich und Schutz zugleich.

Gezwitscher der Vogelschar im Busch,
die nächste Generation oft sehr laut.

Die Nächte
werden wieder kürzer,
die Blätter jetzt bunt,
morgens oft Nebel,
Sturm und Regen schütteln den Busch.

Blätter wirbeln und fallen,
der Winter kommt,
der Kreis geschlossen.





Pferdestärken in San Andreas

San Andreas heißt der ganze Komplex.
Doch erkennt man Wahrzeichen und das Haus Duplex.
Los Angeles, San Francisco und Las Vegas,
auf dem Highway gibt man gerne Gas.
Bei einem Unfall bemüht man seine Flex.





Die ungenierten Viren

Das ist mir noch nie passiert,
dass zu Weihnachten sich meine Gesundheit verliert.
Bei den Festtagen war ich niemals krank,
nun lieg ich ermattet auf meiner Bank.
Die Viren verbreiten sich ganz ungeniert.





Über den Rhein

Gefahren für die Kelten,
Germanen überschreiten den Rhein
Kriege und viele Schelten
Das wird explosiv sein!
Massen ziehen nach Gallien,
wild und unberechenbar.

Einst waren es die Kimbern und Teutonen,
in die Provinz, dann bis nach Italien vorgestoßen.
Nur der Rhodanus trennt das Land,
da, wo die Gefahr am größten.

Das reißende Wasser als Grenze,
doch wie lange hält es an?
Nicht ewig wird der Rhein,
eine Barriere sein.

Problem begegnen, das Gebot,
unverzüglich und sofort.
Die Lage auf Anhieb verstehen.
Aktives Handeln statt Reden,
zurückweisen in ihre Schranken.

Ein Einsatz, der schwer wiegen wird,
denn nun geht es um alles.
Stunden sind wie Tage
und die verändern alles.





Ein abgeschiedener Restauranttisch
(japanisches Tanka-Gedicht)

Schummrig und leise
soll der Dinnertisch sein. Das
forderte der Mann.

Dazu will er seine Frau
am Hochzeitstag entführen.





Die mühsamen ersten Schritte
(japanisches Tanka-Gedicht)

Es sucht sich schnell Bahn,
die ersten Schritte sehr schwer.
Tausende folgen.

Gewohnheit und Routine:
Fohlens beste Stallmeister.





Eingestellter Zugverkehr

Der Zugverkehr ist eingestellt,
der Kundenstamm sich am Gleis gesellt.
Kein Zug wird mehr fahren,
zu groß sind die Orkangefahren.
Was ist, wenn ein Ast auf die Gleise fällt?





Du solltest abnehmen

Du solltest abnehmen,
zur Hölle mit den ganzen Systemen!
Esse einfach nur weniger
und hör nicht auf die Prediger.
Schluss mit den Gewichtsproblemen.





Der selbstgefällige Impresario

Er glaubt die Künstler gehören ihm.
Er sieht sich nicht als Teil von einem Team.
Vielmehr glaubt er ein Gutsherr zu sein,
es gilt nur sein Wort, ganz allein,
doch schon bald bettelt er auf Knien.





Das lieblose Aufbrühen des Kaffees

Schnell aufgebrüht,
anonym und lieblos.
Der Büro-Kaffee
Eigentlich schon widerlich.

Kaum zu schlucken.
Zu heiß,
zu fad,
zu farblos.

Eine schwarze flüssige Masse,
so unappetitlich,
dass bereits der Geruch
eine Zumutung ist.

Der Kaffee im Büro,
notwendig, aber ekelerregend.
Welch Übel,
um das man nicht herumkommt!
Morgendlicher Verdruss-Genuss





Der glorreiche, aber gefallene Anführer

Ein Großer ist der Anführer der Samurai,
doch die japanische Gesellschaft geht entzwei.
In diesen Zeiten ist es nicht einfach,
die Samurai zu vereinen unter einem Dach.
Auch der Erste ist unter den Gefallenen dabei.





Die Gartenpalisade aus Hartplastik

Die Gartenpalisade aus Hartplastik,
widerspricht jeder Garten-Scholastik.
Doch sie hält die Erde auf,
sorgt für einen schönen Gartenverlauf.
Auf dem Rasen macht man gerne Gymnastik.





Halsschmerzen

Diese lästigen Halsschmerzen
nimmt man sich zu sehr zu Herzen.
Nervig ist der heutige Geburtstag,
wenn die Stimme nicht mehr mag,
und man auspustet die Kerzen.





Der blaue Füllfederhalter

Feder ist silbern mit Tinte beschmiert,
bahnt sich ihren Weg durchs Papier,
durchzieht eine blaue Spur,
wo sie es berührt.

Die Feder,
sie fliegt
leicht und locker,
als wiege
sie nichts.

Und doch ist sie der Kopf des Ganzen,
denn ohne sie wär nichts.

Der Schaft ist blau und unscheinbar,
nur nützlich, nichts Besonderes,
weder elegant noch extravagant,
gibt er der Feder Halt.

Sie diktiert das Tempo,
der Schaft muss folgen, klar.

Die Feder ist der Taktstock,
alles andere ordnet sich unter.

Und so gleitet der Füller
über tausend Seiten
nach bewährtem Muster,
ohne auch nur eine Pleite.

Die Feder kratzt,
die Feder schleift
und kommt dann doch zum Ziel.
Das weiß der Schaft doch ganz genau,
drum hält er einfach still.





Der Arzt Jean Paul Marat
(japanisches Tanka-Gedicht)

Ein begabter Arzt
entstellt, im Bad ermordet.
Das Ende für ihn.

Kurze Zeit im Panthéon,
auf Gemälden verewigt.





Der Geruch des verwesenden Endes
(japanisches Tanka-Gedicht)

Verwesung schwingt mit.
Der Todesduft haftet an.
Den wird er nicht los.

Strenger olfaktorischer
Begleiter der Auflösung





Die Vitamin-C-Tablette

Die Vitamin-C-Tablette
schlucken einige um die Wette.
Doch Ärzte bestreiten den Nutzen,
und würden sogar stutzen,
bei dieser Tabletten-Stafette.





Der wortgewaltige, rhetorische Dichter

Auf den Mund gefallen ist er nicht,
seine Sprüche reimen sich wie ein Gedicht.
Wenn er sich selbst ankündigt,
hat er mit Worten stark gesündigt,
geht mit seinen Gegnern hart ins Gericht.





Die Ausbeutung geht immer weiter

Menschlicher Roboter
Bedürfnisse hintenangestellt
Firma geht vor!

Organisierte Ausbeutung
Plünderung mit System
Doch die Sache,
sie hat einen Haken:
Eine Kuh muss man melken,
nicht schlachten.

Unmenschliche Firma
Mit fragwürdiger Politik
Austauschbare Arbeitnehmer

Ressourcenschonung?
Gibt es hier nicht!
Quellen werden geplündert,
bis nichts mehr nachfließt…





Die Angst vor der neuen Technik

Wird es eine Verdrängung geben?
Gibt es ein Arbeitskräftebeben?
Wird die Technik uns erlösen
oder nur schnöde ablösen?
Ist man dafür oder dagegen?





Nehmt den Schleuderball

Nehmt den Schleuderball
und werft ihn über den Stall.
Seid ihr dazu bereit,
dann fliegt er weit,
fast bis zum Wall.





Zeitpunkt für schonungslose Offenheit
(japanisches Tanka-Gedicht)

Wahrheiten fallen
dem Ehrlichen in den Schoß.
Der Lügner gerät

in die Bredouille und muss
sich schonungslos offenbarn‘.





Das letzte Fiepen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Die Kulleraugen,
sie tränen vor den Schmerzen.
Das Fiepen hört auf.

Ein kleiner Kadaver treibt
wie ein totes Stück Holz fort.





Bibrax

Stadt im Norden,
mal belagert von Horden,
schlimmster Albtraum aller Sorten.

Mal in Frieden gedeiht,
mal im Kriege entweiht,
mal von Fremden gepfändet,
mal drangsaliert und geschändet.

Ein Glanz vergangener Zeiten,
heute nicht mal mehr sichtbar,
nur die Präsenz ist spürbar,
wandlungsfähige Stadtnatur.
Stein und Holz hinfort,
an einem anderen Ort,
die Legende rankt sich hinfort.





Wenn Züge auf der Straße fahren…

Wenn Züge auf der Straße fahren,
versagen Ämter schon seit Jahren.
Eine Verkehrskontrolle findet nicht mehr statt,
so läuft der Verkehr niemals mehr glatt.
Wie soll man da im Auto noch Haltung wahren?





Ein Sturkopf im Sorgerechtsstreit

Sven ist ziemlich stur.
Er ist eine Streitnatur.
Er muss zum Sorgerechtsstreit seiner Kinder.
Doch das mildert seine Streitlust nicht minder.
Jede Auseinandersetzung mit ihm ist eine Tortur.





Jakob, der Schwiegersohn

Manuels zukünftiger Schwiegersohn
ist ein klarer Wallstreet-Klon.
Er tradet bei einer Investment-Gesellschaft,
gehört zu dieser verschworenen Bruderschaft
und verkauft manche Option.





Kein Platz für einen Bartisch

Nach der letzten Sanierung in der Bank,
der fünfgliedrige Tresen abgebaut.
Da hatten die Kunden noch Platz.
Diskretion gewährleistet,
keiner konnte mithören.

Heute:
Zwei etwas höhere Tische,
fast wie ein Bartisch
und die Schlange direkt dahinter,
spitzt die Ohren,
hört gut zu.

Diskret wie auf dem Marktstand!
Das stört nicht nur die Kunden,
sondern auch den Kassierer an der Bank,
die alte Zeit zurückwünschend.

Er ist es,
der die ganze Zeit am Bartisch stehen muss
und bedient
und zählt.

Diese Sanierung gehört rückgängig gemacht,
ein Sakrileg am Bau
und an der alten Einrichtung,
immer diese sinnlosen Neuerungen!

Sparbücher
Zinsen
Schecks
Formulare
Ausgeschenkt am Bartisch





Die Armbrust entscheidet

Die Armbrust verzerrt das Kampfgeschehen,
das möchte sich nicht jeder Ritter eingestehen.
Sobald er saß hoch zu Ross,
ein jeder ihn hinunterschoss.
Nun sorgt er sich um sein Wohlergehen.





Die Geheimgänge in Versailles
(japanisches Tanka-Gedicht)

Abkürzungen durch
gesamtes Schlossgebäude:
Abgeschiedenheit.

Normalität verborgen
zwischen all den Prunksälen.





Der unvergleichliche Tanz
(japanisches Tanka-Gedicht)

Ein leises Gurren.
Dann beginnt die Perlhuhn-Balz.
Vollendeter Tanz.

Bewegungen einstudiert,
unnachahmlich getroffen!





Tribut der Gelenke

Seine Schultern
ausgeprägt und muskulös,
breit und gut geformt.

Doch schmerzen die Gelenke,
das Rudern und sein Tribut.
Diese ganzen Rennen
während der Unizeit.

Die langen Schlussspurts
das Durchhalten
das Brennen in den Armen
die Qualen in der Schulter
Schmerzen omnipräsent

Mit einer Bootslänge vorn,
Abstand festigen und halten,
das Ruder fest in den Händen.

Sklave auf einer Galeere,
eine Galeere des Erfolgs,
der Goldmedaille,
der Entbehrungen.

Das Treppchen ganz oben,
der Achter jubelt.

Sie heben die Arme und Hände.
Schmerz lass nach!

Jubeln und lächeln,
keine Miene verziehen
nicht in diesem Moment,
in diesen wenigen Sekunden,
dafür ist später Zeit.

Zeitnehmen,
die Gelenke werden es.
Streik
Wohl für immer





Schluss

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