GedichteJahr 2011

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 01 Quartal 2011




Der Tannenzapfen fällt

Hoch oben an der Tanne,
da hing er sicher
so ruhig und wunderbar.

Wogend im sanften Wind,
die Sonne genießend,
den Ausblick auskostend,
die Welt so herrlich schön.

Doch die Verbindung trennte,
vom Ast zum Tannenzapfen
und schmerzlich riss auseinander,
was lang zusammenwuchs.

Der Fall war kurz, doch hoch
und umso schmerzhafter.
Der Aufschlag unten brutal,
kurzum eine Qual.

Da liegt der Tannenzapfen
am Fuße der Tanne nun,
am Boden mit den anderen,
die mit ihm sein Schicksal teilten.

Der Ausblick weg,
die Sonne auch
und der Wind,
er wiegt nicht mehr.

Nein, er löst noch mehr Zapfen,
die hart herniederfallen.

Die Perspektive gewechselt,
so hässlich ist die Welt
und auch die hohe Tanne,
dem Zapfen nicht mehr gefällt.





Genauigkeit, Exaktheit, Qualität

Brücken bauen
Häuser errichten
Straßen konzipieren
Maschinen entwerfen

Zahnrad im Getriebe
Ausgeklügeltes System
Kompliziertes Gefüge

Qualitätsarbeit
Made in Germany
Gütesiegel aus deutschen Landen

Entwürfe in Mengen
Formelflut auf Papier
Modellrechnungen
Simulationen in Miniatur

Die Arbeit eines Ingenieurs
geht niemals zu Ende.

Genauigkeit oberstes Ziel
Exaktheit der zweite Vorname
Planen im Exzess

Rechnen und berechnen,
immer und immer wieder,
bis es aufgeht
und die Brücke steht,
das Haus fertiggestellt
und die Straße vollendet ist.





Das Neubauviertel verschoben

Zwar ist es nicht gänzlich aufgehoben,
doch in die ferne Zukunft verschoben.
Das Neubauviertel, so lässt der Stadtrat verlauten,
wird erst in Jahren freigegeben für Neubauten.
Solange können die Leute sich in ihrer Mietwohnung austoben.





Des Kaisers Entmachtung

In Rom da herrschte ein schwacher Kaiser,
ein richtig Böser und auch kein Weiser.
Drum hat man ihn, als er war umnachtet,
ganz schnell und leise entmachtet.
Das verkündete man auf dem Marktplatz heiser.





Ein patentierter Geniestreich

Am Anfang steht die Idee,
eine Initialzündung,
der Geniestreich,
der Geistesblitz.

Doch auch eine Idee braucht Schutz.
Schutz vor Kopie,
vor Piraterie.

Der Patentanwalt kennt sie,
diese zu Papier gebrachten Ideen.
Dokumentierter Erfindergeist,
gewinnbringend umgemünzt.

Der Schutz des Geistigen
Seine Aufgabe
Ein Patent als fertiges Produkt
Eine produzierte Idee

Manchmal auch vor dem Patentgericht,
einen Rechtsstreit will keiner.
Sinnlos!

Die Patente sollen florieren,
die Wirtschaft soll brummen.

Streit unpassend
Gewinn passender
Patente in Hülle
Patente in Fülle





Redaktionsschluss

In einer Stunde ist Redaktionsschluss,
der Redakteur noch zwei Seiten schreiben muss.
Die Story ist noch nicht glatt geschliffen,
im Ton hat er sich auch vergriffen.
Der Käufer befindet sich morgen im Lesefluss.





Höre mir zu

Höre mir zu,
jetzt kommt der Clou.
Also gut aufpassen,
sonst wirst Du die Pointe verpassen
und dann drückt der Schuh.





Der schwarze Marienkäfer
(japanisches Tanka-Gedicht)

Rote Punkte auf
schwarzem Hintergrund befleckt.
Farblich umgekehrt.

Gegenteiliges Schauspiel
der willkürlichen Natur.





Die Hilfe suchende Königin aus dem Norden

Die Königin an des Königs Seite,
wirft in das Kaminfeuer mehrere Scheite.
Sie sieht in der Völva eine Ratgeberin,
vertraut auf die Hilfe der Seherin.
Sie hofft auf keine Pleite.





Der Apfel-Cidre

Ein jeder kennt gegorenen Wein,
und auch gegorenes Getreide ist fein.
Doch auch der Apfel kann überzeugen,
das kann der Apfel-Cidre bezeugen.
Wie lecker ist doch der Apfelperlwein.





Der Universalgelehrte

Im Altertum bereits bekannt,
ein Gelehrter, vielseitig, kenntnisreich,
mit verschiedenen Wissensgebieten vertraut.

Aristoteles, Albertus Magnus, Leonardo da Vinci,
Melanchthon, Leibniz, Newton, Humboldt, Goethe gewiss,
allesamt als Universalgenies weltbekannt.

Heute sich finden,
solch Gelehrte nicht mehr,
ausgestorben diese Spezies,
weil sich das Wissen vermehrt.

Im Ausmaß gewaltig,
lawinenartig, das Wissen nimmt zu,
der Mensch stößt an Grenzen,
Spezialisierung ein Tool.





Die löchrige Bettdecke

Die löchrige Bettdecke
hat viele Flecke.
Der Wind bläst hinein,
kalt wird man sein.
Es friert der Recke.





Die getrennten Zwillingsschwestern

Die eine adoptiert, angeblich vom LKW überfahren,
die andere trotzt allein den Schicksalsgefahren.
Zwei Zwillingsschwestern mit der Geburt getrennt,
und eine davon, die sich stark verrennt.
Sie finden zueinander nach vielen Jahren.





Das Geschenk der Stimmbänder
(japanisches Tanka-Gedicht)

Stimmbänder als Tier
Einzigartiges Geschenk.
Weiß er, was er sagt?

Wägt er seine Worte ab?
Führt er einen Dialog?





Der letzte Auftrag

Immer wieder für den gleichen Chef tätig sein,
führt irgendwann zu Frustration allein.
Drum war dies nun der letzte Auftrag,
weil ich einfach nicht weiter mag
und jetzt lernen muss zu sagen „Nein“!





Schwergestörte Kunstwerke

Kleckse, Farbtupfer,
zerschnittene Leinwände,
grausige Farben
überziehen die Bilder,
durchziehen das Werk
des exzentrischen Malers.

Wer kauft?
Wer jubelt hoch?
Nur Geldanlage?
Oder doch ein Hang
zum gleichen Exzentrismus?

Gemälde übermalen,
normale Szenerien zerstören,
Idylle scheint Gefahr,
Gefahr scheint Sicherheit
im unendlich tiefen Abgrundlosen.





Der populäre Super Mario

Der Italiener Super Mario
hüpft und fährt neuerdings Cabrio.
Er überspringt jede Hürde
und trägt dabei eine große Bürde.
Jeder kennt ihn von Peking bis Rio.





Köstlichkeit aus Marzipan

Das ganze Jahr ess ich Graubrot,
in der Adventszeit greif ich zum Marzipanbrot.
Oh, dieses Mandelmarzipan,
begründet meinen Naschwahn.
Am vierten Advent ist mein Bauch in Not.





Das Land vollständig verwüstet

Abgebrannt und ausgelaugt
Alles ist kaputt!
Nichts mehr in Ordnung
Zerstört und vernichtet

Von weitem sieht man Brände
Schwarzer Rauch in Massen
Keine Luft zum Einatmen

Kein Stein steht auf einem Stein,
keine Mauer noch ganz,
kein Haus ohne Risse.

Die Wüste der Verwüstung,
die Apokalypse der Vernichtung,
das Kartenhaus der Realität,
es ist eingekracht!





Das abendliche Entspannungsbad
(japanisches Tanka-Gedicht)

Ritual für die
abendliche Entspannung.
Versinken im Schaum.

Raum und Zeit vergessen für
einen kostbaren Moment.





Die Flecken des Schimmels
(japanisches Tanka-Gedicht)

Fell aus der Reihe,
so ungewöhnlich befleckt.
Aus einer Million.

Er sticht heraus so seltsam.
Seine Andersartigkeit





Der Glücksritter

Der Glücksritter versucht sein Glück
und schaut niemals zurück.
Mal verschlägt es ihn dorthin,
mal geht er hierhin.
Er geht langsam, Stück für Stück.





Geh einkaufen

Geh einkaufen,
die Kosten sich belaufen,
auf mehr als 50 Euro.
Das ist Teuro.
Man kann sich nur die Haare raufen.





Eintrittskarten in astronomischer Höhe

Die Preise schnellen in die Höhe,
die Leute springen auf wie Flöhe,
große Summen kostet der Eintritt,
sonst gibt es keinen Zutritt
und man wartet draußen in der Windböe.





Wie die Entfaltung langsam stirbt

Ein Fischschwarm
hat mehr Entfaltung,
mehr Individualität,
mehr Freiraum,
mehr Entscheidungsmöglichkeiten.

Das Büro im Großformat.
Ein riesiger Käfig:
Voller Sardinen!

Kleine niedrige Wände
zerteilen den Raum
und sollen
Privatsphäre schaffen.
Sollen!

Im Großraumbüro,
da gibt es viele Dinge,
aber keine Abgeschiedenheit.
Beengt Sein als Dauerzustand!





Wie die Spezialkräfte Geiseln befreien

Heinz wird gehalten als Geisel
als Henkersmahlzeit isst er seine letzte Meisel.
Er hat mit dem Leben schon abgeschlossen,
da haben die Politiker seine Befreiung beschlossen.
Der Geiselnehmer dreht vor Wut wie ein Kreisel.





Das verunglückte Satteldach

Das verunglückte Satteldach
ist auf der einen Seite fast flach.
In der Luft weiter droben
hat sich der zweite Teil verschoben.
Irgendwann macht das Haus Krach.





Die Operation

Tücken hat die komplizierte Operation,
daher macht sie der erfahrene Arzt kurz vor der Pension.
Er kennt jeden Handgriff gut,
der steigt des Patienten Lebensmut.
Gut gelaufen ist diese Operationsversion.





Der gelbe Ginsterbusch

Ein halber Baum,
doch fehlt der Stamm.
Was ist er denn jetzt nur?

Ein halber Strauch,
doch zu viele Äste.
Welcher Gattung gehört er an?

Er kennt unzählige Zweige,
so dicht und undurchdringlich,
als wäre er
eine lebendige Mauer aus Stein.

An jedem Zweig,
da hängen Blüten,
es sind so viele dort,
sie sind gelb und winzig klein,
ein richtiger Blütenhort.

Der Stamm in der Mitte,
doch man sieht ihn nicht,
man kann ihn nur ungefähr erahnen.

Er trägt das Ganze,
das große Gewicht,
elegant als wiege
der Ginster nichts.

Wind und Wetter
können dem Ginster
nicht viel anhaben.

Nur eins
das fürchtet er
fürchterlich:
Einen Hagelschauer aus Körnern.





Überall Plakate
(japanisches Tanka-Gedicht)

Eine neue Form
der Kommunikation ist
überall zu sehen.

Der Plakatwald wuchert in
unaufhaltsamer Manier.





Ein Teil der Dunkelheit
(japanisches Tanka-Gedicht)

In der Nacht verschluckt,
sein Fell die ganze Schwärze,
bis man ihn nicht sieht.

Panther wandelt unsichtbar,
geschützt durch die Dunkelheit.





Die gefüllten Tomaten

Auf dem Tisch gefüllte Tomaten.
Gefüttert mit Hackfleischarten.
Ein Tomatendeckel oben,
schließt es ab droben.
Ein Essen mit offenen Karten.





Der brutale Kriegsmob

Der Mob droht sich im Krieg zu verrennen,
er lässt eine vollbesetzte Kirche abbrennen.
Er agiert vollkommen brutal,
erweist sich als Schicksal letal.
Es gelingt ihm das Gewissen vom Gehirn zu trennen.





Die Gründung der Gemeinsamkeit

Groß genug,
ist der Betrieb.
Ein Betriebsrat muss her!

Sein eigener Herr,
muss man sein.
Und notfalls, nachhelfen.
Anders geht es nicht.

Organisiert Euch
und haltet zusammen!
Ein gemeinsames Ziel,
nichts verbindet mehr.

In der organisierten Gemeinschaft,
da gedeihen die besten Ideen
und der festeste Zusammenhalt!





Das geheimnisvolle Technikreich

Gut versteckt unter der Erde
trifft sich die verschworene Technikherde,
um ihren Götzen anzubeten,
einem Computer mit vielen Drähten,
ihr digitales Steinzeit-Erbe.





Sprinten und zwar 100 Meter weit!

Sprinten und zwar 100 Meter weit,
hart für Euch, die Ihr nach 50 Metern schon müde seid.
Auch auf kurze Distanz braucht man Ausdauer
und unbändige Sprint-Power.
Wer unter 11 Sekunden bleibt, hat echten Schneid.





Ewig über die Schulter schauen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Ruhige Minuten
Mangelware geworden,
tägliche Fluchthatz.

Zeugenschutz, Gefängnis für
den anständigen Bürger.





Reise zum Kamin
(japanisches Tanka-Gedicht)

Von Afrika aus,
auf den Kamin geflogen.
Storch-Nest voll besetzt.

Lange Reise über den
Erdball hinter sich gebracht





Impressionen der Suessionen

Zwei Flüsse rahmen ein,
im Süden wie im Norden,
dazwischen müssen sie sein,
die Suessionen-Horden.

Soissons Erbe reicht zurück bis in hinterste Zeiten,
das erste Kapitel eines Buches voller Seiten.
Die Suessionen und ihr grünes Gebiet
gleicht einem fruchtbaren Mosaik.
Hier gedeihen die prachtvollsten Pflanzen
und die schönsten grünen Allianzen.

Ein Volk des Überflusses an Natur,
sie erleben das Grüne ganz pur.
Das Wasser ist klar und rein,
hier spricht niemand gern Latein.





Gefangen in einem fremden Verstand

Das Geschehen mit anderen Augen sehen,
lässt zwar die Perspektive drehen.
Doch Zeuge eines anderen Verstandes zu werden,
würde zu sehr mental abfärben
und so bleibt jeder besser alleine mit seinen Ideen.





Der unfähige Torwart

Dieser Torwart ist inkompetent.
Seine Erfolge schlicht nicht existent.
Dem Trainer ist er seit langem ein Dorn im Auge,
denn dieser lässt ihn erscheinen, als würde er nichts tauge.
Dem Torhüter fehlt jegliches Talent.





Des Betrügers tiefer Fall

Björn war eine große Nummer,
doch ist er ein hinterhältiger Krummer.
Er wirtschaftet sich in die eigenen Taschen,
möchte jeden Vorteil erhaschen.
Doch er fällt und hat nur noch Kummer.





Die gute, alte Handarbeit

Ein schönes Atelier
des stolzen Schneiders,
altmodisch gestaltet,
Stoffballen überall
Garn in Hülle und Fülle.

Eine alte Nähmaschine,
darin ein gelber Stoff
elegant anzuschauen,
königlich erhaben,
leuchtend wie die Sonne.

Es werden wohl Gardinen.
Prachtexemplare
Gold am Fenster
Eine zweite Sonne

Welch Überraschungen im Atelier!
Exquisite Anzüge
maßgeschneidert
in schwarz
in braun
in grau.

Sie warten auf ihre Eigentümer,
auf ihre Träger.
Sie werden den Anzügen Form geben,
Leben einhauchen,
dem Stoff einen Sinn geben,
die Mühe rechtfertigen.

Die Nähmaschine rattert,
die Naht wird gesetzt.

Gelbes Garn
Feste Naht
Qualitative Handarbeit,
wie es sie heute nicht mehr gibt.





Guillaume le Maréchal

Zu seiner Zeit war er der bekannteste Ritter
und noch dazu ein richtig Robuster und Fitter.
Er siegte in fast allen Turnieren,
wollte nach Ruhm und Reichtum gieren.
Doch sein Leben war manchmal auch bitter.





Die schlimmste berufliche Blamage

Das war eine Berufsniederlage
an diesem langen Tage.
Es war eine Berufserfahrung der schlimmsten Art,
wie man sie so gar nicht mag.
Ich flüchte mich in ein Gelage.





Die exquisite schwimmende Welt
(japanisches Tanka-Gedicht)

Schwimmende Euros
In großer Farbenvielfalt
Eine Welt für sich

Goldbarren im Koi-Becken
Langfristige Anlage?





Der Schaffner in der Straßenbahn

Das Klickgeräusch,
wie ein Tacker
in der Hand
das Ticket-Entwertungsgerät.

Es klickt
so oft am Tag.
„Tickets bitte!“

Entgegennehmen,
überprüfen,
Ticket entwerten,
einführen,
Entwerter zusammenführen.

Klick!
Fertig

Zurückgeben,
das nächste Ticket.

Wie ein Roboter
Automatismus
Wie ein Entwertungsgerät

Die Straßenbahn fährt,
bewegt sich.
Schnelle Anfahrt,
abruptes Bremsen.

Festhalten oder Fallen
Auch ein Schaffner fällt.

Die Tickets
kleine Papierfetzen
Berechtigung zum Fahren

Schwarzfahrer
Ausnutzer
lassen andere zahlen.

Ticket-Egoisten
und oft ohne Unrechtsbewusstsein.

Ärgernis für die Allgemeinheit
und vor allem für ihn.

„Wer ist dazu gestiegen?“
In der Höhe, da regen sich die Tickets.
Zwei neue Passagiere,
zwei Klicks.





Schluss

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