Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 01 Quartal 2007
Der Wasserfall
Das Sprudeln vernimmt man schon von Weitem,
wenn man sonst gar nichts von ihm sieht.
Es ist ein monotones, lautes Surren,
in ihm findet sich sonst nichts.
Nähert man sich ihm, so wird das Surren surreal.
Die weiße Gischt schäumt auf,
doch das Surren scheint alles zu verdecken.
Man sieht zwar hin, erkennt aber nichts,
man scheint ihn nur zu hören.
Von Weitem, von Nahem, man kann ihn
nicht erkennen, nur vernehmen.
Der auditive Fall des Wassers
Der Klang der Schwerkraft
Der Klang des Flusses
Es ist der Fall, den man hört.
Ein Uhrmacher ohne Takt
Es tickt
im gleichen Takt
unaufhörlich
der Sekundenzeiger
still steht er nie.
Die Triebfeder,
sie speist ihn,
sie gibt ihm Energie.
Ich ziehe sie auf.
Das Uhrwerk
es lebt,
es pocht
wie ein Herz.
Das Herz schlägt
einmal die Sekunde
60 Schläge die Minute
3600 die Stunde
Zweimal am Tag
geht auch eine falsche Uhr richtig,
zweimal pocht das Herz.
Die Uhr sie lebt.
Einmal habe ich eine Uhr
ohne Sekundenzeiger gesehen,
sie war kaputt gegangen.
Ich konnte sie nicht reparieren.
Dabei wäre das
meine Aufgabe gewesen.
Doch wie sollte ich denn eine tote Uhr
zum Leben erwecken?
Eine Uhr ohne Takt
Die Killermaschine im Teddybären-Look: Der Grizzly
Mal will er sich in sein Loch verkriechen,
doch von weitem kann er Honig riechen.
Drum macht er sich dann auf den Weg,
überquert einen See mit Steg.
In einer Bärenfalle wird er dahinsiechen.
Der Wagenlenker
Im Circus Maximus macht der Wagenlenker,
gerade einen tödlichen Schlenker.
Er fliegt auf die Bahn von seinem Wagen,
schon nahen die Retter mit ihren Bahren.
Das Ganze wegen eines Verrenkers.
Ein kleinkrimineller Fisch
Eine kleine Nummer,
ein kleiner Fisch
im großen Teich.
Unbedeutend,
farblos und ungefährlich,
ohne Biss.
Einer,
der mit dem Strom schwimmt,
sich mitreißen lässt.
Er lässt sich Dinge diktieren,
hat keine eigene Meinung,
schon gar keine Haltung.
Er tut das, was andere ihm sagen.
Das, was sie entscheiden,
so wie ihm geheißen.
Ausgeführt im Auftrag Fremder,
exekutiert, aber geplant von anderen.
Der Kleinkriminelle,
der Hühnerdieb,
er lässt sich kommandieren,
der kleine Kriminelle gehorcht.
Er führt aus,
exakt so wie für ihn vorgesehen.
Lohn: Gefängnis
Aufwachen
Zu spät
Der Fisch hinter Gittern
Der Tennisspieler in Nöten
Tennis spielt er ach so gern,
und spielt den Ball auch noch so fern.
Mal spielt er ihn absichtlich aus,
mal fliegt er von dem Spielfeld raus,
ein schlechter Spieler so im Kern.
Schick ab den Brief
Schick ab den Brief,
die Adresse ist schief.
Viel Mühe hast Du Dir nicht gegeben,
Du musst noch eine Briefmarke draufkleben.
Und nun in den Postbriefkasten einwerfen, tief.
Der Glasaal im Mondschein
(japanisches Tanka-Gedicht)
Das Glas im Mondschein.
Angestrahlt vom Planeten
Milchig-weißer Aal.
Wie ein Kunstwerk in der Nacht,
nur für einmal ausgestellt.
Wie ein Höhlenmensch sich selbst vergaß
Als Gollum am unterirdischen See saß,
er eines Tages Sméagol vergaß.
Der Ring war das Einzige, an was er dacht,
in seiner Höhle ewig finstere Nacht.
Er nur noch rohen Fisch fraß.
Das sauere Himberrkompott
Das sauere Himberrkompott,
schmeckt wie ein kulinarisches Komplott.
Der Geschmack ist viel zu herb,
keiner für diesen Kompott werb.
Niemand folgt dem süßsauren Trott.
Der Topfhelm
Die Grundform, dem Zylinder verwandt,
im Hochmittelalter gebräuchlich,
geänderten Kampftechniken gedankt.
Steigbügel, die abgestützte Lanze dazu,
viel länger, robust und schwer,
gezielt auf den Kopf,
ein neuer Schutz muss her.
Vollverkleidet nun der Kopf,
Gehämmertes Blech, aus Eisenstücken geformt,
zusammengenietet die Stücke,
mehrere Kilo schwer.
Schmale Schlitze, das Sichtfeld nur vorn,
Wirksam im Schutz, der Lanze getrotzt,
vor schweren Verletzungen der Kopf.
Das gesteppte Sofakissen
In das gesteppte Sofakissen
hab ich beim Spiel hineingebissen.
Wir lagen zwei Tore zurück,
meinem Team verließ das Glück.
Ich schaue zu, viel zu verbissen.
Der manipulative Mandant
In der Kanzlei ist ein neuer Mandant,
dieser hat einen flinken Verstand.
Eine Falle wurde dem Anwalt gebaut,
der hat seinem Mandanten erst vertraut,
doch am Ende ist die Gefahr hinter Gittern gebannt.
Die Bedeutung des Lebensanfangs
(japanisches Tanka-Gedicht)
Beginn des Lebens.
Die Kaulquappe erfreut sich
der neuen Wege.
Sie hat alles noch vor sich,
muss nur am Leben bleiben.
Unerwartetes Wannenbad
Hat die Dusche eine Panne,
steigt man besser in die Wanne.
Richtig sauber wird man so,
Beine, Füße, Bauch und Po!
Besser als jede kalte Wasserkanne.
Marie-Antoinette
Marie-Antoinette, Erzherzogin,
jüngste Tochter der Kaiserin,
entstammt der Habsburger Dynastie.
Verheiratet nach Frankreich,
der französische Thronerbe ihr Mann,
ein Bündnis zu schmieden,
Politik, Allianzen, durch Heirat zu schließen.
Wenn die kein Brot haben,
dann sollen sie doch Kuchen essen,
oft kolportiert, sicherlich niemals gesagt,
bezeichnend, sinnbildlich für ihren Lebensstil.
Tonangebend in Mode und Stil,
Kleidung, Schmuck, Vergnügungen,
Abwechselung, Luxus, Bälle,
Verschwendung kennzeichnend für ihren Lebensstil.
Nach dem Tode Ludwigs auf dem Schafott,
angeklagt als Witwe Capet,
Hochverrat, Unzucht, moralisch gefehlt,
die Beschuldigungen, verhandelt in einem Schauprozess.
Hassobjekt der Volksmassen,
das Urteil vorher klar
der Tod, urteilte das Revolutionstribunal.
Die letzte Fahrt im Karren,
geschoren der Kopf,
Augenzeugen bezeugen Würde und Haltung,
beim Gang zur Enthauptung,
auf das Schafott.
Warpath – Auf Kriegspfad im Weltall
In 2D ist das Weltall aufgebaut,
bei feindlichem Beschuss wird das Spiel richtig laut.
Fremde Planeten werden kolonialisiert,
wer weniger Bevölkerung hat, am Ende verliert.
Durch eine Seuche ist die Einwohnerzahl abgeflaut.
Das Lied einer Nacht
Diese eine Weihnachtsmelodie,
vergessen wird man sie jedenfalls nie.
Es ist die einsame, stille Nacht,
die ihren Platz am Firmament hat.
Für immer und zwar nur die.
Das Gesicht des Verrats
Agil und aktiv,
wegen seiner Großzügigkeit
so populär und beliebt,
plante den Umsturz jahrelang.
Ein großes Vermögen,
mit Unrecht und Betrug erworben.
Hinter dem ganzen Geld,
ein großes Unrecht steckt.
Freigiebig mit Spenden,
viele Prominente um ihn herum.
Einheirat in höchsten Adel,
Verwandtschaft sichern Einfluss und Macht.
Beliebtheit und Größe,
sie begünstigen Verrat.
Ein schäbiges Gesicht,
ein verfaulter Charakter,
so sieht er aus, der Verräter.
Welch hässliche Visage!
Kriminelle Gene?
(japanisches Tanka-Gedicht)
Ist es nur Zufall?
Oder vererbt sich hohe
Kriminalität?
Beweise scheinen nur schwer
diese These zu stützen.
Die Ohren des Cockerspaniels
(japanisches Tanka-Gedicht)
Sie schwingen umher,
unbändig und viel zu wild.
Eigene Richtung
Parallele Pelzlappen,
die allerdings nicht putzen.
Die Bahn mal wieder verspätet
Die Bahn ist wieder mal verspätet,
wenn man am Bahngleis steht und betet,
sie möge bitte endlich kommen,
ins Zweifeln geraten selbst die Frommen,
bis einer schreit: „Da ist sie. Sehet!“
Es ist Zeit, geh ins Bett
Es ist spät, geh ins Bett,
zieh aus Dein Jackett.
Und schließe Deine Augen,
lass Dir Deinen Schlaf nicht rauben.
Morgen putzt Du dann fit die Maisonette.
Erheiternde Gefängnislektüre
Ist man für länger eingesperrt,
der Zugang zur Freiheit länger verwehrt,
dann greift man besser zu einem Buch,
um zu entgehen der Langeweile Fluch
und man sich geistig gut nährt.
Die längste Hausse
Seit nun mehr 10 Jahren,
kennt er nur eine Richtung.
Bergauf!
Kleine Dellen,
aber es geht immer höher hinaus.
Neue Rekordzahlen:
Vermögenswerte vervierfachen sich.
Geld vermehrt sich
Wundersames Wachstum
Ein stetiges Eldorado
Hinauf, hoch hinaus,
die Bullen haben das Kommando!
Und alle fragen sich:
Wann ist Schluss?
Wann kommt die Krise?
Überfällig.
In die Flucht gejagter Einbrecher
Es gab mal einen Einbrecher,
der machte in Privathäusern einen Abstecher.
Dort hoffte er die große Beute zu machen,
doch ein Wachhund ließ es richtig krachen.
Am Ende kletterte er zum Schutz auf Hausdächer.
Die heulende Alarmanlage
Die heulende Alarmanlage
kostete der Schauspielerin eine hohe Gage.
Doch war es nur ein Fehlalarm,
kein Einbrecher herein kam.
Was für eine Blamage!
Die attische Demokratie
Es ist die Herrschaft der Gleichen,
die stellen wichtige Weichen.
Zwar wählen nur die Freien
und sorgen für geschlossene Reihen,
doch ist es ein erstes gutes Zeichen.
Das umgekehrte Dreieck
Auf den Kopf gestellt
die Welt aus einer anderen Perspektive
um 180 Grad anders:
Das Unten ist nun das Obige.
Eine Pyramide ist es nicht.
Die Schwerkraft würde das verhindern,
sie duldet keine Spitze,
die auf sie zeigt.
Also ein Dreieck,
ein umgekehrtes,
das Einzige,
das der Schwerkraft trotzen kann.
Den Finger erhoben
aber auf die Erde,
erhoben, um nach unten zu zeigen.
Radikal anders, aber nicht rebellisch:
Das Dreieck hat die Kräfte durchdacht,
um dann für sich
die ideale Position
zu finden.
Schaut man sich das Ganze
von der Erde aus unten an,
dann ist das Dreieck
noch immer anders.
Zwar nicht auf dem Kopf
aber freischwebend,
so als hätte es endgültig
die Schwerkraft hinter sich gelassen,
den Zeigefinger nach oben gerichtet.
Die blutige Place Royale
(japanisches Tanka-Gedicht)
Mitten im Zentrum
der so königliche Platz
erstarrt vor Grauen.
Von einstiger Grandeur nichts
übrig, alles fortgeweht.
Die Suche verläuft sich im Sand
(japanisches Tanka-Gedicht)
Wer sucht, der findet.
Wüstenfuchs nimmt Fährte auf.
Das Glück beim Suchen
Im Sand erkennt er jede
Spur, die sich ihm präsentiert.
Der chinesische Teeladen
Im chinesischen Teeladen,
schweben leichte Schwaden.
Einatmen ist unerträglich
und der Gesundheit abträglich,
die frische Luft geht baden.
Ausbruch aus dem Staatsgefängnis
Ein Insasse bricht aus dem Staatsgefängnis,
denn die Haft sorgt für Bedrängnis.
In Michigan City gefällt es ihm nicht,
er ist auf endlose Freiheit erpicht.
Dies ist für ihn letztendlich sein Verhängnis.
Der Knebel-Semestervertrag
Durchgereicht
Von Semester zu Semester
Immer eine neue Vertragsverlängerung
Planungssicherheit?
Vorausschaubarkeit?
Fehlanzeige!
Sechs Monate
Ein Arbeitsleben
Wenig Zeit
Vertragsschluss
Bleibt er aus?
Das ewige Bangen um Verlängerung
Zweimal im Jahr
Unerträgliche Hängepartie
Akademischer Arbeitsschutz?
Gelockert und aufgeweicht!
Ein Mehr an Qualifikation,
ein Weniger an Sicherheit…
Die entscheidende Woche
In den kommenden Tagen
kann man nur zu hoffen wagen,
dass sich alles zum Besten wendet
und die Sache endlich endet,
sowie die ganzen Plagen.
Übe Dich in Kniebeugen
Übe Dich in Kniebeugen,
und zwar mit den größten Freuden.
Damit kriegst Du feste Beine,
muskulös und hart wie Steine.
Das kann ich nur bezeugen.
Die schwedischen Gardinen lüften sich
(japanisches Tanka-Gedicht)
Langersehnt dieser
Freiheitstag, Entlassung in
diese Gesellschaft.
Das Staatsgefängnis nicht mehr
Das ungewollte Zuhaus‘.
Das hohle Stolzieren
(japanisches Tanka-Gedicht)
Stolzgeschwellte Brust
Ein Imponiergehabe,
das Grenzen nicht kennt.
Diese Arroganz trägt klar
menschliche Züge in sich.
Die ausgebaute Wohngarage
Aufbewahrungsort für Autos?
Nein,
die Garage ist zum Wohnen.
Nutzungsänderung
würde der Jurist sagen,
die Wohngarage
sagt der Laie.
Ein kleines Wohnzimmer zum Wohlfühlen
Kein Fenster
Ein Tor
Industriecharme zum Wohnen
Garagenflair auf dem Sofa
Es fehlt der fahrbare Untersatz,
stattdessen ein Fernseher:
Wohnoffensive!
Eine Chance zum Gemütlichsein,
ein Wohnleben in der Garage,
ein Ort der Erholung,
Nichtstun vor dem Bildschirm.
Ein Motor heult auf.
Das kann nicht sein!
Immerhin ist das hier
ein Wohnzimmer,
das muss der Fernseher
gewesen sein.
Dann öffnet sich
das Garagentor.
Späte Arbeit, goldene Arbeit?
In den späten Abendstunden
liegen so manche Arbeitsrunden.
Die Arbeit schreitet schneller voran,
denn niemand einen stören kann.
Die Ruhe mag mir munden!
Luise beim Marathon
Luise weiß nicht so recht, was zu unternehmen,
da wird sie beim Marathon teilnehmen.
Ihre Freunde sind mit von der Partie
und laufwütig wie nie.
Luises Teilnahme wird sie selbst grämen.
Der Gefängnisinsasse und sein Verhalten
Boris sitzt im Gefängnis.
Ein Totschlag war sein Verhängnis.
Er ist für Jahre weggesperrt,
vorzeitige Haftentlassung ist ihm verwehrt.
Das bringt seine Familie in große Bedrängnis.
Ein Fehler kostet das Leben
Darf keine Angst zeigen,
keine Furcht,
seine Miene nicht verziehen,
nicht zucken.
Kein Schweißausbruch,
nicht einmal blinzeln,
denn sie sehen es,
sie riechen es,
sie hören es.
Angst!
Sie erkennen sie
sofort
ohne Zweifel,
das beherrschen sie.
Instinkte
Es ist in ihnen,
dieses Wissen,
abrufbereit,
jederzeit.
Die Tiere beobachten ihn,
behalten ihn stets im Blick.
Eine falsche Geste,
eine Unaufmerksamkeit,
ein Zeichen der Schwäche
und sie stürzen sich auf ihn.
Ihre Pranken
Ihre Mäuler
Ihre Zähne
Sie zerfleischen den Dompteur,
nicht weil sie es können,
sondern weil sie es wissen.
Sie wissen wie,
beigebracht hat ihnen das niemand.
Urinstinkte
Die künstliche Intelligenz
Die neue künstliche Intelligenz
sorgt für viel Effizienz.
Der IQ wird gesteigert,
auch wenn sich der Mensch verweigert
und beklagt die mangelnde Transparenz.
Die kleinste Saat kann wachsen
(japanisches Tanka-Gedicht)
Unter der Erde,
da sprießt die Saat heran und
legt den Grundstein fest.
Dermaßen klein gewesen,
nun gigantisches Gewächs.
Die hervorstehenden Zähne
(japanisches Tanka-Gedicht)
Fossil versteinert.
Zähne eines Vampires.
Lauf eines Sprinters.
Lange Zeit auf Planeten,
Säbelzahntiger-Ende.
Der entwürdigende Dresscode
Ein roter Dress,
den haben sie alle an,
jede Messehostess.
Ein aufgesetztes Lächeln,
roter Lippenstift.
Dazu dieser alberne Hut,
natürlich auch in rot
passend zur gesamten Uniform.
Er komplettiert das Bild,
nimmt ihr den letzten Funken Selbstrespekt.
Da stehen sie nun
am Stand,
Prospekte in der Hand.
Bereit zu überreden,
Werbung zu machen,
neue Kunden zu gewinnen,
jeden zu überzeugen,
Zweifel im Ansatz zu zerstreuen.
Diese Einheitsuniform
von weitem erkennbar,
leicht auszumachen,
schnell einzuordnen,
wie ein rotes Zeichen.
Ein Werbeschild,
im Grunde
genau das.
Werbung
lebendig
tatkräftig
Eine Armee an Werbeträgern
Befehligt,
gehorcht
an diesem Stand
auf jener Messe.
Schluss
© 2021 Michael Stern https://www.lyrissima.de