GedichteJahr 2010

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 04 Quartal 2010




Die Fratze auf dem Steinquader

An dieser einen Biegung,
es geht ganz leicht hinauf,
unter dem Dach der Bäume,
links fällt ein Bach hinab,
da ist der Stein begraben,
da wacht der Steinquader.

Der einzige Stein im Wald,
der Figuren enthält.

Beschlagen,
zugeschlagen,
steinerne Gesichter
im Stein verewigt
und auch dieses eine:
Die unheimliche Fratze.

Sie schaut auf alle nieder,
beobachtet Vorbeigehende,
zieht heimlich Gesichter,
verspottet alle.

Im Stein gebannt,
so sieht der Quader
den Bach darnieder fallen.

Umgeben vom grünen Dach,
die Fratze wird nie nass,
profitiert von ihrer Lage,
hat alles gut im Blick.

Der Steinquader, er lebt,
er sieht und urteilt.





Ein schwarzes und kaltes Weltall

Hoch oben in den Sternen
auf dem Mond zu Haus,
im Shuttle oder in der Raumstation,
alleine in der Schwärze und Kälte des Weltalls,
auf sich gestellt im sauerstofflosen Raum.
Einsamer Astronaut

Von oben sieht alles anders aus,
kleiner und schöner,
beruhigender und übersichtlicher.

Die Erde als blau-grün-weißer Ball
Ein gigantischer Anblick
Erhabener Punkt

Umdrehungen um den Globus
Ausflug auf den Mars

Ein kleiner Schritt,
ein großer Schritt,
für Mann und Menschheit.

Fast schon Schwerelosigkeit
Gewichte werden zu Federn
Leichtes Gefühl

Ein neues Leben
auf einem alten Planeten

Rückflug und Abschied von oben
Von unten sieht der Mond so klein aus.
Der Mond als grauer Ball
Wie er wohl die Erde sieht?





Der Dollarkurs

Es steigt mal wieder der US-Dollar,
der Börsenplatz wird wieder voller.
Ein jeder wollte seinen Gewinn erzielen,
bevor die Kurse wieder fielen.
Manch einer verlässt die Börse mit dem Tretroller.





Roms sieben Hügel

Rom ist erbaut auf sieben Hügel,
sie haben die Form eines leichten Bügels.
Alle haben sie die klingendsten Namen,
wie Palatin mit wehenden Fahnen,
dort verlieren die Bewohner die Zügel.





Von einem, der umsetzen muss

Das Rechtssystem,
eine breite und lange Veranstaltung.

Am Ende wartet er,
derjenige,
um dessen Arbeit ihn niemand beneidet.

Er, der die Urteile umsetzt,
der Gerichtsvollzieher,
der Henker der Moderne.

Hassfigur
Aasgeier?
Oder nur das letzte Glied des Systems?
Derjenige, der die harte Arbeit machen muss?

Die Geister scheiden sich.
Einfach ist die Arbeit nicht.
Hart und undankbar

Der Vollzieher steht
an vorderster Front,
alleine mit dem Urteil.

Vollzug als Kraftakt
Die hässliche Seite des Systems,
diejenige, die keiner sehen will,
aber auch die,
die manche sehen müssen.





Der glorreiche Sekundenzeiger

Der Sekundenzeiger geht mir zu schnell,
verlässt sofort seine alte Stell.
Er bewegt sich und tickt,
so sehr dass mir das Handgelenk zwickt.
Und laut ist er, der Ton so hell.





Spreche doch laut

Spreche doch laut,
es mir sonst graut.
Die Stimme erhoben,
der Blick nach oben,
wie jemand, der sich traut.





Wie wird sie sich entpuppen?
(japanisches Tanka-Gedicht)

Hässlich und garstig,
bis die Raupe entpuppt sich.
Entfaltung geglückt.

In einer neuen Gestalt
neues Leben beginnen.





Ein mächtiger Kriegerkönig

Angelehnt an Beowulfs Heldengedicht,
geht dieser Mann gegen jeden ins Gericht.
Er ist ein mächtiger Kriegerkönig,
den hat jeder Nordkönig auch bitter nötig.
Nach dem Endkampf der Feind vernichtet ist.





Prickelnder Champagner

Prickelnder Champagner schmeckt,
besser als jeder Sekt.
Recht süßlich sollte er schon munden,
sonst bleiben sie weg, die Kunden,
ansonsten ist das Getränk perfekt.





Der einsame Mönch

Für Mönche, der Glaube ist wichtig,
geistlich geprägt der Lebensstil,
Gebet und Arbeit,
im Rhythmus des Tagesablaufs vereint.

Eine Gemeinschaft im Kloster,
ein Orden im einheitlichen Kleid,
das Leben einem Gott geweiht.

Beim Eintritt ein Neuling,
ein Novize auf Zeit,
danach das Gelübde,
Gehorsam, Armut, Ehelosigkeit,
ein Versprechen zunächst oft auf Zeit.

Manchmal auch Mönche,
suchen die Einsamkeit,
fern in der Wildnis,
Leben in einer Einsiedelei.





Das geplatzte Kopfkissen

Die Naht ist aufgegangen,
die Federn sind vergangen.
Die Kissenhülle bleibt zurück,
der Inhalt verliert sich Stück für Stück.
Um seinen Schlaf muss man bangen.





Der Kommissar aus dem fernen Paris

Es kommt ein Kommissar aus Paris,
manche denken er sei etwas mies.
Doch in Wahrheit mag er nicht gerne sprechen,
sondern aufklären schwerste Verbrechen.
Man ihn in der Provinz in seinen schwersten Fall stieß.





Der Kuckuck als Nestverdränger
(japanisches Tanka-Gedicht)

Verdrängungsprinzip:
Als Parasit geboren,
wirft er alle raus.

Den Lebensbeginn markiert
er mit mehreren Morden.





Rückkehr in die Realität

Augenöffnen durch Zwang
führt zu dem Drang,
sie schnell wieder zu schließen,
damit Träume sprießen,
doch noch keiner der Realität wegsprang.





Affäre mit einem Maler

Die Affäre währte nicht lang,
der verheirateten Frau war gar zu bang,
dass alle von ihrem Verhältnis erfahren,
ihren Geliebten, den bizarren Maler, als Barbaren
abstempeln. Drum beendete sie die heimliche Liebe,
kehrte zurück ins traute Heim, ins solilde
Leben. Doch der Ehemann spielte nicht mit,
reichte die Scheidung ein und war quitt.

Eine Heimlichtuerei mit großen Konsequenzen,
die sich nicht lassen begrenzen,
am Ende leiden am meisten die Kinder,
der treue Ehepartner nicht minder.





Die Battlefront von Star Wars

In Star Wars viele Fronten existieren,
auf fremden Planeten mit exotischen Tieren.
Man kämpft gegen Darth Vader,
mit dem Schwert aus Laser.
Man darf den Krieg gegen das Imperium nicht verlieren.





Der Traumgewichtskiller

Beim Dessert werd ich nicht lange suchen,
entscheide mich für die Lebkuchen.
Der Teig ist göttlich lecker,
da scheiden sich keine Geschmäcker.
Im neuen Jahr werd ich mein Gewicht verfluchen.





Hochmut des stolzen Siegers

Der stolze Sieger
verfährt mit dem Besiegten,
nach seinem Belieben.
Willkür des Erfolgs
Macht, die nur der Sieg verleiht!

Der Grundsatz stets gilt,
nach eigenem Gutdünken
mit dem Verlierer verfahren.

Niemand darf den Sieger einschränken,
weder in seinen Rechten
noch in seinen Entscheidungen.

Tribut ist Pflicht,
darum streitet man nicht.
Das geltende Recht
behandelt Besiegte schlecht.

Die Drohung der Zahlung lässt niemanden kalt,
verweigert man das Geld, sieht man aus sehr alt.
Der Hochmut ist nun am Regieren,
das kann der Verlierer nicht einfach negieren.





Das wöchentliche Kartenspiel
(japanisches Tanka-Gedicht)

Männerrunde in
trauter Zusammensetzung.
Die Karten rascheln.

Das Spiel führt zum Gespräch, das
niemand mehr missen möchte.





Der winzige Teil des Ganzen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Um sein Ebenmaß
verkürzt, so muss es traben.
Auf Island alle gleich.

Insel der kleinen Pferde
Abgeschottete Rasse





Der Spieler

Den größten Einsatz er setzt,
notfalls die anderen Spieler verpetzt.
Er leidet unter der Spielsucht,
benutzt sie als Alltagsflucht,
wenn er sich an den Spieltisch setzt.





Hebe Gewichte

Hebe Gewichte!
Steigere die Muskeldichte.
Bis wachsen die Knochen
dauert es Wochen.
Mache nichts zunichte.





Die Erfindung des Meisterstücks

Eine Note kommt zur anderen hinzu,
komponiert vom Musik-Guru.
So entsteht ein meisterliches Werk,
das erregt viel Augenmerk
und viel Rummel noch dazu.





Keine Luft in dieser Enge

Verkrampft!
Diese Enge
Die Wand gegenüber
Der kleine Tisch
Zu klein geraten der Arbeitsplatz!

Für den Ellbogen:
Keinen Platz.
Für nichts ist Platz!

Eingepfercht!
Wie ein Huhn,
am Arbeitsplatz aushalten.

Mehr als ein Aushalten ist es nicht.
Entfaltung?
Zu wenig Freiraum.

Eigene Gedanken,
sie sprießen hier nicht.
Hier gedeiht Einfalt und Enge!





Die Gefangennahme des Diplomaten

In diplomatischer Mission reist er zum Kaiser
und hofft er sei ein wirklich Weiser.
Doch hat er sich im Kaiser bitter getäuscht,
denn dieser hat als Schwächling enttäuscht
und dient nicht länger dem Volk als Wegweiser.





Der Zwiebelturm

Der hohe Zwiebelturm
sieht aus wie ein langer Wurm.
Er hat ein solides Fundament,
das der Erbauer gut kennt.
Er trotzt jedem Sturm.





Der Verband am Arm

Der Arm ist verbunden,
durch den Sturz geschunden.
Das Gelenk ist überdehnt,
Knochen an Knochen angelehnt.
Das mag niemandem munden.





Die verdorrte Rasenfläche

Kleines Gewächs, das in die Fläche geht
und die ganze Erde umwebt,
auf das elf Spieler einem Ball nachjagen
und auf dem Golfturniere ausgetragen.

Der Rasen,
so schön
wie Nutzpflanzen,
so zäh
wie das härteste Unkraut.

Doch kommt die Trockenperiode,
so zwingt die Dürre
auch den Rasen in die Knie.

Er vergeht zwar nie
doch wird er kreidegelb,
verdorrt und stoppelig,
so wenig schön anzuschauen.

Wie eine gelbe Wüste
aus Gras ohne Sand,
aber genauso trocken.

Doch setzt der erste Regen ein,
dann wandelt sich das Bild:
Das Gras wird grün
und setzt sich kerzengerade,
so als sei
überhaupt nichts geschehen.





Das Ancien Régime siecht dahin
(japanisches Tanka-Gedicht)

Althergebrachtes
zerschellt im neuen Zeitgeist,
als sei nichts geschehen.

Eine Epoche segnet
verloren das Zeitliche.





Der Ausgestorbene
(japanisches Tanka-Gedicht)

Keiner mehr übrig.
Ende der Evolution
Ein Luchs kehrt zurück.

Wird er so ganz allein das
Luchs-Geschlecht retten können?





Der Nudelauflauf

Der Nudelauflauf,
besitzt Käse darauf.
Und auch viel Schinken
wird darin aufblinken.
Viel Kalorien zuhauf.





Wie Gabriel sich der Armee anschließt

Gabriel ist der jüngste Sohn,
als Kind sah er, wie fremde Truppen drohen.
Drum entschloss er sich der Armee beizutreten,
er lernte zu fechten und zu schießen mit Musketen.
Im Krieg sah er die Soldaten verrohen.





Die Mitgliedschaft als Makel?

Ausschlusskriterium:
Eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft
Ein Makel
Für immer
Den wird man nicht los.
Egal, was man tut.

Arbeitnehmervereinigung
Institutionalisiert
Isoliert
Separat
Ausgestoßen
Ein Grund auszutreten?

Eine Art Mobbing
Geschickte Ausgrenzung
So kann man sie kleinhalten,
die missliebige Gewerkschaft!





Eine wankelmütige, rastlose Natur

Niemals sich festlegen wollen,
immer nur finster am Grollen,
stets rastlos auf der Suche,
ganz ergeben seinem Fluche,
keinem will er Respekt zollen.





Ihr sollt Weitspringen

Ihr sollt Weitspringen
und Siege erringen.
Sucht Euch Euer Sprungbein aus,
beim Anlauf nicht zu weit hinten raus.
Und schnell sprinten, vor allen Dingen.





Gern gesehener Geschäftspartner
(japanisches Tanka-Gedicht)

Ruhig und würdevoll,
fair und ehrlich, so führte
er stets sein Geschäft.

Der Paradekaufmann, ein
ehrbarer Geschäftspartner.





Ineinander greifende Zahnräder
(japanisches Tanka-Gedicht)

Das Nilpferd harrt aus.
Das aufgerissene Maul,
ein Vogel pickt dort.

Große Tiere brauchen auch
die Kleinen, um zu leben.





Chaotischer Rückzug unter großem Geschrei

Der Entschluss zum Rückzug gefasst,
in der zweiten Nachtwache
das Lager geräumt.

Unter Panik und unter großem Geschrei,
viel Lärm und wenig Besonnenheit.
Organisation oder Führung?
Nicht zu erkennen!

Jeder wollte der Erste sein,
auf dem Marsch nach Hause.
Dieser Abmarsch ähnlich einer Flucht,
der Vernichtung zu entgehen,
ein Eingeständnis des Scheiterns.

Insgesamt die Ordnung verloren,
alles bricht auseinander,
die Reihen nicht zusammengehalten,
so kostet Chaos Menschenleben.





Zu stark betäubte Ängste

Wer seine Ängste alkoholisch betäubt,
nur einen Abgrund in sich selbst erzeugt.
Dieser wird irgendwann zum Verhängnis
und bringt einen richtig in Bedrängnis,
so dass man es danach erst recht bereut.





Kehrt ein Geköpfter von den Toten zurück?

Ein Lord wurde hingerichtet
und sein Andenken vernichtet.
Doch sein Grab ist leer.
Droht eine Wiederkehr?
Er wurde in London bereits gesichtet!





Das selten besuchte Kind

Bodo hat ein Kind,
das wächst geschwind.
Doch hat er es selten gesehen,
das wird zum Problem,
denn das Zerwürfnis beginnt.





Hungrig nach den Zeilen

Auf der Jagd nach neuen Büchern
manuskriptsüchtig
zeilenhungrig
plotgenusssüchtig.

Der Buchagent liebt neue Werke,
er forscht
und fahndet
nach Nachwuchsautoren.

Unzählige Einsendungen,
er geht sie alle durch
auf der Suche nach dem Goldkorn,
nach der einen wahren Geschichte.

Mal findet er sie,
selten, aber es geschieht.

Welch wunderbares Ereignis,
was für ein Leseerlebnis!
Ein Genuss der Sinne
Der Lohn aller Suchmühen

Das ist der Grund Buchagent zu sein,
das entschädigt
für alles,
für die Arbeit,
für die Reisen,
für die anstrengenden Buchmessen.

Alles erträglich nun,
es erscheint alles in neuem Licht,
im Glanz des Bestsellers.





Der Kreuzritter

Unterwegs im Heiligen Land
ist ihm warm in seinem Gewand.
Drum zieht er es kurzerhand aus,
verlässt sein Haus
und geht zum Strand.





Der beachtenswerteste Künstler der Stadt

Er ist der Künstler-König der Stadt
und schaut auf andere herab.
In seiner großen Arroganz
wagt er einen gefährlichen Stepptanz,
doch diesmal läuft es für ihn nicht glatt.





Der Anden-Traum
(japanisches Tanka-Gedicht)

Geschmeidige Haut
Der sanfteste Wollenwuchs
Traum aus den Anden

Alpaka-Stoff bezaubert,
so vollständig umfassend.





Der kleine Moment des Zweifelns

Für eine klitzekleine Millisekunde
fragt man sich nach dem Funde,
ob man es soll zurückgeben,
doch Ehrlichkeit darf nie aufgeben,
sonst zeigt die Ehrbarkeit Erosion und Schwunde.





Hunderttausende Zähne

Mund auf
Wie viele Zähne?
Wie viele Kiefer?
Und Zungen?
Hat er gesehen?

Abertausende,
hunderttausende,
im Laufe des Berufslebens.

Gebissen?
Ja, das wurde er auch.
Nicht oft,
aber dafür hart.

Der Bohrer
ein Arbeitswerkzeug
für ihn,
für die Patienten?

Ein Folterwerkzeug,
allein das Geräusch!
Angstgefühl
Krampf
Der Anblick schon zu viel.

Gewöhnung
an alles.

Der Zahnarztsitz für sie,
ein Peinigungsstuhl.
Welche Ängste darin ausgestanden?
Unglaublich hart

Der Folterer im weißen Kittel,
die helle Leuchte auf dem Kopf.

Geblendet,
man sieht nichts,
spürt Schmerzen.

Gefühl der Ohnmacht
Eine Zahnbehandlung?
Oder eine Zumutung?
Die Geister,
sie scheiden sich.





Schluss

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