Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode Oktober 2013
Der verdorrte Rosenstrauß
Blau ist die Vase,
so zierlich dünn
und hochgeschossen,
fast als würde sie
jeden Augenblick umfallen.
Sie trägt etwas:
einen Strauß.
Es war einer,
verdorrt sind die Blumen
und das seit langem.
Alle Blätter welk,
die Hälfte ist zu Boden gefallen.
Sie umranden die Vase,
beinahe bedrohlich,
als würden sie sie umzingeln,
als hätten sie etwas,
gegen diese makellose Vase.
Es müssen Rosen gewesen sein.
Rote Rosen
Nur sie verwelken auf diese Art.
So theatralisch,
so bombastisch,
als versuchten sie
ihrer eigenen Vergänglichkeit
durch einen dramatischen Abgang
zu entgehen.
Der blauen Vase
hat die Vorstellung
nicht gefallen.
Eine Schaufel in der Kohle
Die Schaufel
fest in die Hände
gewachsen,
wie ein weiterer Körperteil,
eine Verlängerung eines Arms,
eingetaucht in die Kohle.
Widerstand!
Eindringen mit Schwung
und damit dann hoch,
die Kohle auf der Schaufel,
ein Schwenk.
Nicht einfach auszuführen,
das Gewicht beachten,
die eigene Körperachse
und der Zug bewegt sich auch noch.
Dann die Luke,
geöffnet,
nun sieht man
das Feuer
in seiner ganzen Pracht.
Es prasselt
und freut sich schon
über neuen Nachschub.
Die Kohle wird hineingeworfen,
das Feuer verschlingt.
Kurzes Aufflammen,
die Luke schließt.
Von Neuem
zum Abertausendstenmal
für den Lokomotivenheizer!
Der ägyptische Streitwagen
Wenn sie ihn sehen, den ägyptischen Streitwagen,
die Feinde nur noch Rückzug sagen.
Er glänzt so golden im Tageslicht,
den Krieg verliert er nimmer nicht.
Nur mit dem Pharao kann er sich so gar nicht vertragen.
Der dekorierte Weihnachtsbaum
Er ist so schön der Weihnachtsbaum,
erleuchtet nun den ganzen Raum.
In allen Farben strahlt er da,
begleitet uns bis ins neue Jahr.
Das nächste Weihnachten, abwarten kann ich‘s kaum.
Die zweitklassige Beratung
Rechtsberatend tätig sein,
nicht gerade ein Traum,
aber auch kein Albtraum.
Schnelle Recherche
Kurze Antwort
Verbindlich
Möglichst korrekt
Ein Job für schnelle Leute.
Antwort geben,
gleich nach der Frage.
Kompetenz
in jedem Satz
oder zumindest der Anschein.
Scheinantwort
Scheinfrage
Kurz und knapp
Surrogat als Antwort
Ersatz
Der Berater verfälscht,
versagt,
doch lässt er sich nichts anmerken.
Er spielt den Rechtsberater,
kraftvoll,
aber matte Lösungen,
wenig Inhalt,
kaum Struktur.
Nichts Klares,
viel Nebulöses,
eine Kaskade an Unsicherheiten,
eine Flut an zweitklassigen Antworten.
Ebbe in der Beratung,
so berät man nicht.
Der verstopfte Schornstein
Verstopft ist der Schornstein,
und das von ganz allein.
Er möchte sich entscheiden,
mit dem Rauch unser Kaminfeuer zu verleiden.
Dann wird er eben weiter erloschen sein.
Setz auf den Brief
Setz auf den Brief,
sei mal kreativ.
Du musst Dir etwas ausdenken,
die Gehirnzellen verrenken.
Werde proaktiv.
Tausende Augen im Schuppen
(japanisches Tanka-Gedicht)
Lange harrt sie aus,
in einer dunklen Ecke,
wartet regungslos.
Auf kleinste Bewegungen
folgt ein Orkan der Zangen.
Aschenputtel oder Cinderella
Cinderella ist eine Waise,
sie wird misshandelt und leidet leise.
Unter Aschenputtel kennt man sie auch,
ihre Stiefmutter schikaniert sie, böser Brauch.
Eine ihr wohlgesonnene Fee hilft ihr weise.
Der Nachmittagssnack
Der Nachmittagssnack
schmeckt sehr keck.
Im Geschmack sehr einzigartig,
befremdlich oder fremdartig.
Man sich keine Finger daran leck.
Der Aufstieg der Dampfmaschine
Eine technische Entwicklung,
in England erfunden,
wurde zur Speerspitze,
die industrielle Revolution damit gemacht.
Das Prinzip sehr einfach,
genial die Idee,
Wasser verdampft,
unter Druck, ein Zylinder, ein Kolben,
erzeugen Bewegungsenergie.
Im Bergbau zuerst,
die Textilindustrie folgt,
verbreitet schließlich in allen Industrien.
Auch im Verkehr,
eine zentrale Rolle gespielt,
der Antrieb mit Dampf,
Dampfschiffe, Dampflokomotiven zuhauf.
Das Prinzip noch heute genutzt,
Kraftwerke, Atom, Kohle, Gas, egal,
Dampfturbinen werden genutzt,
elektrische Energie, Strom das Produkt.
Die geräumige Doppelgarage
Die geräumige Doppelgarage,
bringt mich ständig in Rage.
Alles ist vollgestellt,
um freien Raum geprellt.
Eine hässliche Aufräum-Tournage.
Die Eisengießerei in den Nordstaaten
In Pennsylvania steht eine Eisengießerei,
ein Unhold der Eigentümer sei.
Er ging in die bekannte Staatsakademie,
seine Angestellten behandelt er wie Vieh.
Im Amerikanischen Bürgerkrieg war er hautnah dabei.
Der diebische Marabu
(japanisches Tanka-Gedicht)
Sein Schnabel zu lang.
Damit greift er manch Dinge.
Dieb auf zwei Beinen.
Wer ihm Paroli bietet,
der kriegt ihn kleiner als klein.
Wie wird man seinen Schatten los?
Einmal hatte der Holger
einen hartnäckigen Verfolger.
Der ließ einfach nicht los,
war so richtig dubios,
das Wegrennen war die reinste Folter.
Europäische Zinsdifferenzen
Vor Einführung der gemeinsamen Währung
Ward in Europa die finanzielle Annäherung
Stets eine schwierige Geschichte,
über die zu verfassen wären so manche Gedichte.
Namentlich die Zinsdifferenzen
Sorgten für mehr Zündstoff als Landesgrenzen.
Manches Land ward herabgestuft
Und auf diese Weise plötzlich weniger betucht.
Amokläufe durch Videospiel?
Die Seuche namens Counter Strike erreicht die Allgemeinheit,
es geht um Terroristen und einer Antiterroreinheit.
Der Publisher ist übrigens Valve.
Der Spieler lädt die nächste Salve.
Bei Amokläufen zweifelt die Medien-Mehrheit.
Der Aktenvernichter
Eine Schiene ausziehbar,
über jeden Papierkorb stülpbar.
So vernichtet er einen ganzen Papierstoß,
und das in wenigen Minuten bloß.
Der Aktenvernichter rattert so wunderbar.
Die Belger
Die meisten Belger hatten ihre Wurzeln,
vom Ursprung in Germanien her.
Vor langer Zeit gelockt,
wegen des fruchtbaren Bodens,
über den Rhein und angesiedelt in Belgien,
zuvor wohnenden Gallier blutig vertrieben.
Zur Zeit der Kimbern und Teutonen,
da waren die Belger als einziges Volk,
imstande und in der Lage,
ihre Siedlungsgebiete gegen Eindringlinge,
erfolgreich zu verteidigen.
Dieser Erfolg, bis heute er nachwirkt,
und hat so einiges bewirkt.
Verklärt in der Erinnerung,
der Heldenstatus der Belger.
Viele Freunde und Verwandte,
Mannschaftsstärke jeden Stammes,
größte Macht durch Tapferkeit und Ansehen.
Die größten Felder,
die fruchtbarsten Böden,
sie bewirtschafteten sie und erblühten darauf.
Der klassische Verdächtige: der Ehemann
(japanisches Tanka-Gedicht)
Der Verdächtige
Par excellence, nichts bleibt ihm
Erspart, er muss durch
elende Verhöre, die
ihn alle Kräfte kosten.
Reduzierung und Schrumpfung
(japanisches Tanka-Gedicht)
Riesige Herden
Reduziert auf wenige.
Der Bison überlebt.
Wenn große Massen auf nur
eine kleine Zahl schrumpfen…
Der Kreisverkehr
Die Erfindung heißt Kreisverkehr,
doch bietet sie keine Gewähr,
dass Autofahrer rücksichtsvoller werden,
diese unverbesserlichen Herden.
Sie setzen sich jeglichstem Fortschritt zur Wehr.
Geh zum Friseur
Geh zum Friseur,
sonst werde ich Hypnotiseur.
Dann werde ich Dich in Hypnose versetzen,
Dich auf den Friseurstuhl setzen
und selbst spielen Coiffeur.
Freude über das erste Engagement
Wenn der Künstler nicht mehr muss hungern,
nicht mehr auf der Straße muss lungern,
wenn er hat ein festes Gehalt
und ihm keiner kündigt bald,
dann muss er morgens früh aufstehen, ungern!
Die transatlantischen Beziehungen
Über dem Atlantik hinweg,
da will man sich die Hände reichen.
Die USA und Europa
verbunden durch die Geschichte.
Eine Kultur
und doch viele Unterschiede
trennen beide.
Der Ton wird rauer.
Der Zusammenhalt bröckelt.
Die alten Allianzen,
gelten vielleicht bald nicht mehr.
Strategiewechsel
Er könnte
gefährlich werden.
Für beide.
Wenn zwei alte Freunde,
sich nicht mehr sehen wollen,
so verlieren beide,
so gewinnt keiner.
Der verhasste Gemeinde-Priester
Ein Neuer ist Priester in der Gemeinde
und macht sich mit seinem Verhalten Feinde.
Mit dem Bürgermeister steckt er unter einer Decke,
doch werden sie gebracht zur Strecke.
Zwei Psychopathen und im Tode Vereinte.
Die in die Jahre gekommene Schallplattensammlung
Die in die Jahre gekommene Schallplattensammlung
bräuchte mal eine CD-Wandlung.
Oder noch besser als mp3,
dann wäre sie auch eine Datei
und gerüstet für jede Zukunftshandlung.
Eine muntere Fragerunde
Die muntere Fragerunde
dauert eine Stunde.
Man kommt ins Schwitzen,
der Schwierigkeitsgrad wird sich zuspitzen
und zwar für alle im Bunde.
Die Armbanduhr am Baum
Lebenskreise
Einer pro Jahr
Der Stamm,
er wächst
und wächst.
Nächstes Jahr
wird es wieder
einer mehr sein.
Doch man sieht
sie nicht.
Gehütet werden sie,
der Baum birgt
seine Geheimnisse.
Erst beim Fällen
würde man es wissen,
doch das wäre zwecklos.
Am Stamm
da hängt sie:
Eine Armbanduhr,
befestigt mit einer kleinen Kette.
Wer hängt
an einem Baum
eine Uhr?
Sinnlosigkeit?
Zeitlosigkeit!
Wieder ist
eine Minute vergangen,
wieder ist ein neuer
Lebenskreis dazugekommen.
Die Uhr,
sie läuft und läuft.
Der Baum
muss sie
ticken hören,
still, leise,
doch beständiges Ticken,
solange bis das letzte Jahr kommt.
Die Orangerie
(japanisches Tanka-Gedicht)
Die Zitruspflanzen
in Reih und Glied aufgestellt.
Kunstvolle Formen.
Ehemals Skulpturenpark,
heutzutage im Louvre.
Die Wasserburg aus Zweigen
(japanisches Tanka-Gedicht)
Schwimmender Palast
Der Existenz-Biber-Bau
König des Wassers
Er hat die Macht, die Flüsse
so gänzlich umzuleiten.
Die Zwiebeln, die weinen lassen
Die Zwiebeln, die weinen lassen,
die werden meine Tränen schassen.
Ich höre nicht mehr auf zu weinen,
den ganzen Tag lang werde ich greinen.
Nicht fertig werd ich mit den Tränenmassen.
Der Fluch namens Sandro
Sandro ist der Diener seines Herren.
Er schlägt und kann gewaltsam zerren.
Er schreckt vor keinem Mord zurück,
sinkt immer tiefer, Stück für Stück.
Am Ende wird es sich winden und plärren.
Wie eine Flamme eine Kerze verbrennt
Aus Wachs besteht seine Welt
Schlank und hochgezogen
Ein Docht regiert im Mittelpunkt
Doch die Flamme brennt ihn schnell nieder
Das Wachs verdampft
Der Kerzenzieher macht eine neue Kerze
Seine Welt verbrennt schnell
Doch sie wird täglich neu geschaffen
Gegossen, gedreht, getrocknet
Schon stehen neue Kerzen bereit
Taufrisch und unverbraucht
Niemand wird ahnen,
wie schnell sie abbrennen werden
und im Nichts verpuffen.
Der Kerzenzieher am allerwenigsten
Die Geliebte des Feindes
Möchte man seinen Feind schlagen,
muss man seine Geliebte fragen.
Die kennt jedes Geheimnis gut,
da sie ständig neben ihm ruht.
Die kann einem alles sagen.
Quake oder das Beben
Quake löst aus ein Erdbeben,
was kann man da nicht alles erleben.
H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos stand Pate
bis zur allerletzten Framerate.
Manch Spieler würde dafür alles geben.
Ein Trinkglas erzittert
(japanisches Tanka-Gedicht)
Das Wasser zittert.
Der Erdbebenvorbote
des Wassers irrt nie.
Wenn die Erde sich erhebt,
zerbricht das Glas am Boden.
Der Schädel des Totenkopfäffchens
(japanisches Tanka-Gedicht)
Tote Grimasse!
Ein Totenkopf mit Augen.
Der Schädel, er lebt.
Beispiel eines Skeletts im
Pelz so sorgsam aufgemalt…
Besuch in der Künstlerhöhle
Inspirierend und wild,
eine Explosion des kreativen Chaos.
Papiermeer, Pinselsammlung
quer über den Boden verstreut.
Kreativität flirrt in der Luft,
Farbpartikel stieben durch den Raum.
Die Malerin greift zu.
Pinsel in der Hand,
Farbe tanzt über Leinwand.
Ein neues Bild schält
sich aus dem Nichts heraus.
Ehrfurcht des bewundernden Besuchers.
Die Künstlerhöhle bebt
vor Schaffenskraft.
Der Computercode
Der Computercode besteht aus wenigen Zeilen,
doch der zerhackt jedes System mit Beilen.
Es ist die Sprache der Informatik,
danach geht heut der Uhrentick.
Nur wenige Sekunden bleiben dem System zum Verweilen.
Der Investigativ-Journalist aus Washington
Dieser Schreiberling führt eine spitze Feder.
Das weiß in Washington jeder.
Er ist einer großen Story auf der Spur.
Der letzte Schliff fehlt nur.
Dann zieht er vom Leder.
Umriss eines Riesenschattens
(japanisches Tanka-Gedicht)
Drei-Meter-Wels schwimmt.
So groß und ungefährlich
Zahnlos im Tümpel
Umriss eines Haifisches
Reines Teich-Ungeheuer
Das eigene Leben für ein anderes geben
Leben schützend,
notfalls dazwischenwerfen,
Kugel abfangen
mit oder ohne kugelsichere Weste.
Der Wächter des Leibes
Der Leibwächter
Immer unauffällig im Hintergrund
hinter den Kulissen,
nie vor den Kameras.
Die zweite Reihe bewohnend,
das ist sein Platz,
zurückgezogen und doch tragend,
so spielt er seine Rolle.
Er nimmt sie gerne an
die Verantwortung,
die Herausforderung.
Das ist sein Metier,
für ihn ein gewisser Reiz,
ein kleines bisschen Nervenkitzel.
Permanente Gefahr
Anschlag omnipräsent
Neben dem Auto herlaufend
Neben dem Rednerpult stehend
Mitten in der Menge
Menschenansammlung
Das Bad in der Menge
Horrorszenario
und doch Teil des ganz normalen Alltags
Ein weiterer Drehtag mehr
Am Filmset
das Mädchen für alles
Kleinigkeiten,
sie wird gerufen.
Der Zeh juckt?
Sie kommt.
Filmassistentin?
Netter Titel,
mehr nicht.
In Permanenz im Einsatz,
gefordert von der ersten bis zur letzten Sekunde,
langanhaltender Stress.
Genervt bis die Klappe fällt,
selten zufrieden
bei diesem sogenannten Job.
Wechselgedanken?
Oft gehabt.
Aber wohin?
Sie kennt nur den Film,
mehr nicht.
Am Ende würde sie wieder hier landen,
aber nicht mal mehr als Assistentin.
Kopfschütteln
Nein
Abwehr
Gedankenverdrängung
Hat keinen Sinn,
Augen zu und durch.
Dreh zu Ende,
aufräumen und wegpacken
und wieder einen Drehtag überlebt.
Das Krankenhausessen
Das tägliche Krankenhausessen,
kann man getrost vergessen.
Es schmeckt immer gleich
und ist nicht vitaminreich.
Damit kaut man wie besessen.
Invasion im Anmarsch
(japanisches Tanka-Gedicht)
Überall verbreitet
Eine Zeckeninvasion
Gestoppt wird sie nicht.
Welch schauriger Ausblick für
die kommenden Jahrzehnte.
Welch blühendes Geschöpf!
Im Grünen
da blüht es,
umgeben von Blüten,
ein Meer aus Blumen.
Tulpen
Narzissen
Rosen
Abwechselnde Farben,
betäubende Gerüche.
Abgeschnitten!
Das Leben,
es weicht langsam
aus den Blumen.
Hinausgezögert
durch die Gabe von Wasser,
das heilende Element.
Aufgenommen wird es,
langsam aber stetig.
Quell des Pflanzenlebens
sprießendes Grün.
Notwendigkeit
Geschenk eines Moments
Das weiß sie,
die Blumenverkäuferin.
Inmitten eines blühenden Friedhofes,
ihres Ladens,
doch keine Trauer
keine Schwermut,
weder bei ihr
noch bei den Blumen.
Ein kurzes Leben in Schönheit,
ein Moment für die Blüte
in voller Pracht.
Eine Sekunde,
ein Jahrhundert,
eine Zeit,
die Zeit der vollen Blüte.
Schluss
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