Über uns
Braucht die Menschheit Gedichte? Sind sie absolut notwendig? Welchen Zweck erfüllen sie? Welche Ziele erreichen sie? Was kann man von Poesie erwarten? Was muss sie leisten, was kann sie schaffen? Warum haben wenige Gedichtzeilen so viel Aussagekraft? Warum sprechen uns Metaphern direkt an? Diese aufgeworfenen Fragen sind alte Fragen, aber keinesfalls überflüssige. Antworten gab es im Laufe der Zeit viele, aber keine weiß vollständig zu überzeugen.
In Schillers 1795 erschienener Abhandlung „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ schreibt er: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Das Verb „spielen“ bzw. das Nomen „Spiel“ sind in Schillers Ausführungen nicht klar abgegrenzt und lassen viele Deutungen zu. Welchen Sinn wollte Schiller diesem „Spiel“ beimessen? Hatte er vielleicht die Lyrik vor Augen, als er diese Zeilen niederschrieb? Gerade die Lyrik ist sowohl ein spaßiges als auch ein todernstes „Spiel“. Sie frönt dem Fröhlichen-Spaßhaften und ehrt das Vollkommene-Erhabene. Sie widmet sich den grotesken Narreteien und den magischen, feierlichen Momenten. Auch wenn die Lyrik sich den seichten Stoffen verschreibt, so kann sie niemals das ihr innewohnende tiefgründige Element abschütteln.
Wir durchschreiten in Windeseile das Zeitalter der IT und betrachten das immense Anwachsen der künstlichen Intelligenz. Dennoch kennt die Poesie kein Ende und es werden stets neue Höhepunkte der Lyrik erreicht. Marcel Reich-Ranicki stellte einst fest, dass Gedichte die Zeit besser überstehen könnten als die prächtigsten Tempel und Paläste. Damit hatte er absolut Recht. In ihrer ästhetischen Zeitlosigkeit sind Gedichte tatsächlich für die Ewigkeit gedacht. Vielleicht ist das der Grund, warum die Lyrik nie aussterben wird.
Lyrissima ist eine der größten Gedichtsammlungen im deutschsprachigen Raum und begreift sich als „Lyrikwerkstatt“, die es ermöglichen soll, Lyrikform und -inhalt auf völlig neue Weise zu kombinieren, um so das Gedicht auf eine neuere, modernere Stufe zu bringen. Jahrhundertealte Lyrikgattungen, wie beispielsweise das Tanka oder der Limerick, werden mit neuestem Inhalt „aufgeladen“ und erleben eine Renaissance, die symbiotische Kräfte freizusetzen vermag. Neue Gedanken in alte Formen zu gießen, scheint ein vielversprechender Ansatz, um auch das heutige Publikum mit Lyrik vertraut zu machen und sie als treue Gedichtleser zu gewinnen. Wer erst einmal das Tor zur modernen Lyrikwelt durchschritten hat, der wird so schnell nicht mehr von diesem Weg abzubringen sein.
Die Gedichte wurden nach ihrer Entstehungszeit eingestellt.
© 2021 Michael Stern https://www.lyrissima.de