Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 03 Quartal 2011
Tanzen oder Selbstverstümmelung?
Sie tänzelt leichtfüßig,
fliegt durch die Luft,
schwerelos
auf den Spitzen der Füße.
Drehungen, Verbeugungen
Pirouette
Le petit rat de l’Opéra
Das Publikum applaudiert,
die Menge ist entzückt,
der Nussknacker zu Ende.
Die Füße kaputt,
die Zehen geschunden,
die Fußnägel verkrüppelt,
die Zehen deformiert.
Blaue Flecken,
gebrochene Knochen,
der Scheinwerfer ist aus,
die Illusion vorbei.
Die Realität hat die Balletttänzerin eingeholt.
Es ist im Grunde
eine Selbstverstümmelung auf Raten,
ein hoher Preis
für ein bisschen Tanzen
im schönen rosa Dress.
Wenn man sie so sehen würde:
Das Klatschen würde ausbleiben.
Entsetzen!
Eine gebrochene Tänzerin
Im Grunde eine Schauspielerin
Sie spielt die Balletttänzerin
auf der Bühne,
im Scheinwerferlicht,
ausstaffiert und geschminkt,
zurecht gemacht,
eine Maske aufgesetzt.
Eine Maske, die kaschiert,
die keiner sieht,
die keiner erkennt.
Die eigentliche Illusion,
die Nuss ist geknackt
und das schon am Anfang des Stückes.
Stillstand und Leerstand im Hotel
Eine große, alte Villa in gelb
Denkmalschutz
Ein Haus mit vielen Zimmern,
die meisten leer.
Früher war mehr los,
heute Stillstand,
eher Leerstand.
Aus bleiben die Gäste,
hier will keiner mehr hin.
Teure Steine,
aber dennoch wertlos,
ein Preis,
der nicht umsetzbar ist,
mag er auch objektiv bestehen.
Unverkäuflich,
aber dennoch zu kaufen,
der Hoteleigentümer
bleibt auf seinen Steinen
sitzen.
Ein Hotel ohne Gäste,
eine Villa ohne Preis,
Steine ohne Zukunft
Frühstück inklusive,
so steht es auf dem Schild,
verrostet und schwer lesbar.
Gegessen wird hier
schon lange nicht mehr,
gekauft auch nicht.
Der Hoteleigentümer am Tresen,
er leert sein Glas
in einem Zug.
Kein Frohes Neues Jahr
Die Neujahrsfeier liegt in Scherben,
wer möchte da für die Zukunft werben?
Das Feuerwerk draußen ist laut,
im neuen Jahr erwarten uns Steuererhöhung und Maut.
Wir werden hausgemachte Probleme erben.
Die goldene Villa Neros
Eines Tages war sein Wahn sehr ausgeprägt,
und Nero besonders aufgeregt.
Er verkaufte mal wieder das Volk für dumm,
und ließ sich bauen, seine Villa Aurum.
Beim ersten Anblick starb er, so sehr war er erregt.
Der Wald im Sterben
Massengrab
mitten im Wald,
er selbst,
er stirbt auf Raten.
Blätter verwelkt,
Kronen lichten sich,
mit Gewächsen geht es bergab.
Statt Grün nur Braun,
statt aufgerichtet, eingeknickt,
statt saftig nun welk.
Im Sterben liegt der Wald.
Eine Tortur für die Pflanzenwelt
und auch die Tierwelt leidet.
Abgewrackt und fast zerstört,
der Wald im letzten Stadium.
Die Wurzeln
nach Wasser,
sie schon lange nicht mehr gieren.
Eingestellt die Arbeit,
den Dienst quittiert.
Sinnlosigkeit in der Erde,
Trostlosigkeit über ihr.
Braun und morsch,
das neue Gesicht des Waldes.
Das einzige,
das letzte…
Der neue Verlagseigentümer
Der neue Eigentümer der Zeitung,
leidet nach einem Jahr unter Verzweiflung.
Keiner liest mehr das Käseblatt,
als hätte es nun jeder Leser satt.
Mit einem neuen Käufer sucht er eine Einigung.
Nimm mich in den Arm
Nimm mich in den Arm
lass spielen Deinen Charme.
Halte mich feste,
tu das Beste.
Sonst schlag ich Alarm.
Der Zitronenfalter auf der Narzisse
(japanisches Tanka-Gedicht)
Ein helles Gelb fliegt,
auf eine gelbe Blüte.
Perfektion als Schein.
Zwei Farbtöne in einem,
vermischt und dann verschmolzen…
Grendel aus dem Nebel?
Die Ungeheuer kommen mit dem Nebel
Ein Feuerdrache mit Fackeln und Hebel.
Es ist nicht Grendel das angelsächsische Monstrum,
sondern ein riesiger Feuerwurm.
Dagegen hilft nur ein Säbel.
Der begehrte Restaurantnischenplatz
Der Restaurantnischenplatz ist begehrt,
die Interessentenzahl sich mehrt.
Manch einer bietet Zusatzgeld,
damit der Platz auf ihn fällt.
Daran ist im Grunde nichts verkehrt.
Der Kirchenlehrer
Heilige, Theologen, Prediger, Bischöfe,
herausragend im Geist,
in machtvoller Sprache,
klar in der Schrift,
formend und prägend,
der Einfluss auf Kirche und Theologie,
durch den Papst der Titel,
Kirchenlehrer verliehen.
Die Liste ein Spiegel,
geschichtlich relevant,
36 Titel, ein sehr langer Zeitraum,
auch nicht sehr lang.
Männer in Überzahl,
Frauen nicht vergessen,
wie Hildegard von Bingen,
bis heute bekannt.
Das herunterhängende Rollo
Das Rollo ist heruntergehängt,
die Sonne sonst versengt,
das ganze Interieur
mit großer Fureur.
Sie niemandem was schenkt.
Die apokalyptischen Engel
Die in Kutten gehüllten apokalyptischen Engel,
sind wahrlich gefährlich-mörderische Bengel.
Sie ziehen mordend durchs Land
und geben das Ende der Welt bekannt.
Die Opfer klammern sich an die letzten Hoffnungsstängel.
Das Klopfen des Fleißigen
(japanisches Tanka-Gedicht)
Es ertönt ein Schlag.
Wer klopft zu später Stunde?
Der Specht will Eintritt.
Sein kreisrunder Eingang, das
Ergebnis harter Arbeit.
Die unflätige Alliteration
Nicht lustig ist es beleidigt zu werden,
durch manchen Ausdruck, sehr herben!
Doch wird es verbunden mit einer Alliteration,
ist es nicht gleich eine so garstige Version,
wenn man die Beleidigung weiß literarisch einzufärben.
Ein Atelier in Unordnung
Kreatives Chaos,
schöpferisch im Unordentlichen,
die Ordnung des Durcheinanders.
Inspiration im Unaufgeräumten.
Ein Atelier – ein Hort der Inspiration,
Quelle des neuen Unvergänglichen.
Unordnung ein Muss,
ein Aufruf Ordnung durch kreatives
Schaffen zu schaffen.
Ohne Chaos keine Kreativität,
pure Inspiration. Unvergängliche
Unordentlichkeit fordert heraus
zum wahren Schöpfertum.
Die Taktik bringt den Sieg
Die Krieger stehen in Reih und Glied,
erhalten die beste Ausrüstung vom Schmied.
Nun muss man sich genau überlegen,
welche Legion soll sich zuerst regen?
Eine gute Taktik macht den feinen Unterschied.
Dann, wenn alle zur Kirche gehen
Einmal im Jahr ist die Christmette,
vor jeder Kirche bildet sich eine lange Menschenkette.
Es läuten die Kirchenglocken,
es fallen die Schneeflocken.
Oh, mögen sie die Kirchen rette.
Gerüchte und Ängste
Wilde Gerüchte machen die Runde,
im Lager von Munde zu Munde.
Bei Schein am Lagerfeuer
spricht man von manch Ungeheuer!
Erkundigungen und Erzählungen
Ortsansässige wissen zu berichten
Wilde Nachrichten verbreiten sich
Gerüchte scheinbar bestätigen sich
Von riesiger Gestalt sie seien,
unglaublich gefährlich und kriegsgeübt.
Wilde Mienen und scharfe Augen,
einen Blick kaum zu ertragen.
Diese Nachrichten zirkulieren immer mehr,
gehen mit großer Bestürzung einher.
Getrübt der klare Verstand,
der Mut bei Vielen versank.
Beklagten ihr Schicksal und jammerten sehr,
ach, würden sie nur flüchten, vielleicht übers Meer?
Testamente wurden verfasst,
die letzte Stunde ruhig gefasst.
Angstvolles Geschwätz
Totschlag: Etwas Spontanes?
(japanisches Tanka-Gedicht)
Ist ein Totschlag gar
gänzlich ungeplant? Oder
schwingt die Absicht mit?
Eine spontane Note
lässt sich durchaus feststellen.
Das wiederholende Wiederkäuen
(japanisches Tanka-Gedicht)
Zweimal hält besser.
Am Ende kommt alles hoch.
Zweimal sieht man sich.
Das Kauen nimmt kein Ende,
ewiges Wiederholen.
Der Innenhof
Im Innenhof scheint nie Sonnenlicht,
denn soweit reichen die Strahlen nicht.
Der Innenhof ist richtig vergammelt,
der Müll sich hier haushoch sammelt.
Die Anwohner sind aufs Wegziehen erpicht.
Hebe die Säcke in den Kofferraum
Hebe die Säcke in den Kofferraum
und zwar genau auf den Flaum.
Dann machen sie auch keinen Dreck
und es gibt auch keinen Fleck.
Was für ein schwerer Saum!
Vollendete Hingabe an die Kunst
In der Kunst ganz aufzugehen,
abtauchen in kreativen Ideen,
gänzlich für ein Ideal zu leben,
nach Vollendung nur zu streben:
Das Ergebnis bewundert man in Museen!
Die gut besuchte Berufsschule
Die Einschreibungen
auf höchstem Niveau
seit langer Zeit.
Die Schüler und der Abschluss.
Das Ziel von jedem,
doch nicht das Ergebnis von jedem.
Die Berufsschule lehrt.
Und sie leert sich.
Es werden weniger mit der Zeit.
Die üblichen
Verschleißerscheinungen?
Oder fehlt der Durchhaltewille?
Der Biss nach oben?
Der Hunger nach mehr?
Der korrupte, hinterlistige Berater
Dieser Blender ist ein hinterlistiger Berater
und zwar ein wirklich smarter.
Er wirtschaftet in die eigene Tasche,
das ist seine boshafte Masche.
Für die Unternehmer fungiert er als Partner.
Der lästige Rohrbruch
Der Rohrbruch kommt zur falschen Zeit,
dafür ist wirklich keiner bereit.
Der Klempner ist sofort zur Stell,
und löst das nasse Problem schnell.
Die Haussanierung ist dann soweit.
Die Magisterabschlussarbeit
Die Magisterabschlussarbeit
steht soweit.
Doch etwas fehlt,
der Schreiber sich quält:
Er braucht eine Auszeit.
Der Glaspavillon am Neuen Markt
In der Mitte absolut zentriert,
im Herzen des Neuen Marktes
Thronend
wie ein Absolutist
aus Glas und Stahl
Drei Steinstufen führen zum Thron,
eine graue Steinplatte,
eigentlich unscheinbar,
aber dennoch massiv.
Sechs Stahlsäulen,
wie die sechs Paladine des Königs,
umrunden den Thron,
wie die Planeten die Sonne,
doch werfen sie keine Schatten.
Das Glasdach leuchtet,
eine Stahlfassung
umrandet das Kristall.
Das Herz des Marktes
schlägt und pulsiert.
Der Absolutist
beherrscht die Szenerie,
sein Hofstaat
darf sich kaum nähern.
Wer möchte schon
den sechs Paladinen zu nahekommen?
Die Zeitungen sprießen aus dem Boden
(japanisches Tanka-Gedicht)
Publikationsflut.
Blätter wachsen wie Pilze.
Die Bildung gedeiht.
Geburtsstunde stolzer und
wichtiger Zeitungsblätter.
Dressierte Instinkte
(japanisches Tanka-Gedicht)
Mögliche Dressur?
Ungezähmtheit beherrschen!
Tiger-Bestie siegt.
Eine falsche Bewegung
und Instinkte brechen durch.
Der Grünkohl
Der gesunde Grünkohl,
löst aus manches Gejohl.
Der Betacarotin-Gehalt ist hoch,
und auch Vitamin C gibt es noch.
Bei diesem Kraut geht es einem wohl.
Der Wiederaufbau durch fleißige Hände
Jeder Krieg hat letztendlich ein Ende
und bringt für manche eine gute Wende.
Die Trümmer werden weggeräumt,
mancher von einer schönen Zukunft träumt.
Das Niedergebrannte wird errichtet durch fleißige Hände.
Die Vernichtung durch ein Stück Papier
Pünktlich zur Arbeit erschienen
Mühe gegeben
Eifrig gewesen
Mittags gut gegessen
Pausen gut genutzt
Ein Kantinenheld
Ein Pausen-Emil
Nette Formulierungen
für Unzulänglichkeiten
In höflichen Phrasen
verpackte Abwertung
Ein vernichtendes Arbeitszeugnis
mit distinguierten Vokabeln
und wohl überlegten Bezeichnungen.
Der Wunsch nach dem Unmöglichen
Früher war es gänzlich ausgeschlossen,
bis sie sich mit einer Rakete zum Mond hochschossen,
bis sie auf Erkundungstour auf dem Mars waren,
auf dem roten Planeten herumfahren
und die Aussicht zur Erde genossen.
Neverwinter Nights
Die Stadt Niewinter liegt im Norden.
Diesmal ist der Gegner die Pest und keine Barbarenhorden.
Aus vier Kreaturen soll das Gegenmittel gewonnen werden.
Doch die Abenteurerakademie liegt nach einem Anschlag in Scherben.
Die Luskaner haben sich verschworen und beginnen zu morden.
Einmalig nach Montreal
(japanisches Tanka-Gedicht)
Eine Reise ins
Quebecer Herz, Insel in
dem Sankt-Lorenz-Strom.
Ein königlicher Berg mit
drei stolzen Namens-Gipfeln.
Die Kiste in der Kiste
(japanisches Tanka-Gedicht)
Verschlossen ist sie.
Gibt ihr Geheimnis nicht preis.
Keinesfalls öffnen!
Man würde sicher mit ihr
das Mysterium brechen!
Fürsprache eines Mächtigen
Mit seinem Wort im Rücken,
mit seinem Wohlwollen gestärkt,
mit seinem Segen ausgestattet,
da kann uns nichts mehr passieren.
Sein Schutz ist alles,
sein Wille zählt allein,
mit seiner Fürsprache
werden wir die neuen Herren sein.
So kann uns der Aufstieg gelingen,
so wird die Kasse klingen,
seine deutliche Fürsprache
ist für uns die beste Sache.
Die erlösende Kombination
Der Aktenkoffer mit seinem Zahlenschloss
eines Tages eine neue Kombination beschloss.
Die wurde aber nicht mitgeteilt,
so dass man am Schloss länger verweilt.
Nach langem Ausprobieren der Riegel emporschoss.
Der Anschlag auf den Westminsterpalast
Der Westminsterpalast
wird von Guy Fawkes gehasst.
Er plant einen Sprengstoffanschlag.
Das neue Zeitalter soll beginnen mit einem Paukenschlag.
Doch schon bald der Guy erblasst.
Die Beamtenbeförderung in Richtung Norden
Die Beförderung nach Südfrankreich
wäre gewesen sein großer Streich.
Doch sein Betrug ist aufgeflogen,
drum macht er an der Côte d’Azur einen Bogen
und geht nach Nordfrankreich, ganz bleich.
Vorlieben der Strandbewohner
Das klassische Surfen ausgedient,
Kitesurfen läuft ihm den Rang ab,
praktischer und actiongeladener.
Das Segel aufblasbar,
das Brett recht klein,
passt so in jeden Kofferraum.
Anders das klassische Brett mit Segel,
sperrig,
groß,
unhandlich,
nur auf dem Autodach transportierbar.
Daher dieser Generationenwechsel,
der Surflehrer passt sich an,
geht mit der Zeit
und mit den Vorlieben der Strandbewohner.
Eine kleine Surfschule,
quasi am Ende des Strandes,
recht abgelegen,
dafür viel Platz.
Raum zum Wohlfühlen,
schöner Blick aufs Meer,
ideal zum Ausspannen.
Die Wogen des Meeres,
die fliegenden Segel
in allen Farben,
wie Fallschirme.
Manche Surfer scheinen fast zu fliegen,
der Fallschirm setzt sie sicher auf,
auf die nächste Woge.
Richard Löwenherz
Richard Löwenherz
kennt keinen Schmerz,
ist ziemlich kräftig
und sehr geschäftig,
lacht über keinen Scherz.
So große Mühe gegeben
Und hat man sich noch so angestrengt
und noch so hoch sein Ziel gehängt,
manchmal kann man auch einfach nur Pech haben,
trotz vieler Talente und zahlreicher Gaben.
Dann fühlt man sich beengt!
Ein Ast, der keiner ist…
(japanisches Tanka-Gedicht)
Eins mit dem Ast sein.
Lauern auf neue Beute.
Arglos abwarten.
Boa unscheinbar versteckt,
dass man sie leicht übersieht…
Seine Last, seine Entscheidung
Das unternehmerische Risiko
trägt wer?
Trägt er!
Fürs gedruckte Wort
will der Autor sein Geld.
Möglichst viel,
den Agenten im Nacken.
Doch die Last?
Trägt er!
Schlägt es fehl?
Sein Risiko!
Geht es schief?
Sein Schaden!
Der Verlag in Gefahr
viele Mitarbeiter
Existenzen
Jobs
Trägt er,
niemand sonst!
Wer verlegt,
darf nicht fehllegen.
Die richtige Entscheidung,
das richtige Buch,
eine gute Story,
eine packende Geschichte,
keine Nebensächlichkeiten.
Der richtige Riecher,
den hat er,
wer sonst?
Interessengetriebene Agenten,
gierige Bestsellerautoren,
schlechte Ratgeber.
Verantwortungsprinzip
Wer trägt die Verantwortung?
Trägt er,
der Verleger!
Die Hauptlast,
seine Last,
nur seine.
Das letzte Wort
hat er!
Schluss
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