GedichteJahr 2003

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 02 Quartal 2003




Die langen Schatten der Sonnenuhr

Ein unbeweglicher Zeiger,
der immer still steht
Tag und Nacht.

Nur sein Schatten,
der bewegt sich
hin und her
auf und ab.

Er zieht seine Schattenkreise,
ruhig und ziemlich weise,
so weiß er doch genau
die Zeit im Himmelblau.

Eine runde Teilmenge,
die den Sonnenschatten
als Ausgangsbasis hat.

Ein Sektor mit Winkeln
und zahlreichen Umrundungen,
Sonnengeometrie für Fortgeschrittene.

Die Erde dreht um die Sonne,
der Schatten kreist um den Zeiger,
in 24 Stunden ein einziges Mal.

Weltenlauf ist Zeitenlauf
Sonnenuhr ist Zeitenuhr
Sonne, die dem Raum seine Zeit gibt!

Ein emsiger Begleiter,
dieser stetig wandelnde Schatten,
immer zu Stelle
an verschiedenen Orten.

Niemals zu spät,
immer rechtzeitig dort,
als würde er
den Lauf der Zeit
besser kennen, als jeder.

Kurz und lang,
hoch und tief,
die Sonnenwinkel und der Schatten,
sie spielen Katz und Maus.

Ist der eine hoch,
dann ist der andere klein.
Ist der eine tief,
dann ist der andere lang.

Gegenteiliges Verhalten:
Der Zenit des einen
ist der Nadir des anderen.

Ein Hoch sorgt für ein Tief,
ein Tief sorgt für die Länge.
Auf und Ab zweier Dinge

Der Himmelsstürmer
und der Tiefflieger,
ein Duo geht durch die Zeiten.

Sie rechnen nicht in Sekunden,
sondern in Jahreszeiten,
nicht in Minuten,
sondern in Monaten,
nicht in Stunden,
sondern in Sonnenstrahlen.

Der Zeitperspektivwechsel,
er verändert sich,
nimmt Positionen ein,
verwirft sie wieder
und ändert seinen Blickwinkel
für jeden neuen Tag.

Sonne und Zeiger,
ein zeitloses Team
windet sich durch den Tag
und durch alle
Ewigkeiten.

Nur, was mag geschehen,
wenn die Sonne nicht mehr scheint,
wenn Wolken und Dunkelheit herrschen?
Wenn Strahlen nicht mehr strahlen
und Licht keine Schatten mehr wirft?

In diesem Moment
zeigt die Sonnenuhr
eine zeitlose Zeit an.

Ohne Richtung und Zeitpunkt,
ohne Datum und Fälligkeit,
ohne Dauer und Zeitspanne,
nur ein Augenblick,
bis die Strahlen wieder kommen,
bis die Erde erleuchtet sein wird
und ein langsamer Schatten
seinen unaufhaltsamen Weg wiederaufnimmt.





Alle Zügel in der Hand

Wie leitet man eine Behörde?
Kann ich die Menschen auch leiten?
Was werden sie von mir denken,
dem Behördenleiter,
wenn ich Sie das erste Mal sehe und sie leite?

Werden Sie mich respektieren?
Bin ich ein Leiter?
Das Schicksal Vieler
hängt von meinen Entscheidungen ab.

Viele Stränge laufen bei mir zusammen.
Werde ich sie entwirren können?
Halte ich die Zügel in der Hand?
Will ich das überhaupt?

Ich kann die Dinge nicht treiben lassen.
Von mir wird erwartet, dass ich anpacke.

Eine Leitungsfunktion wurde mir übertragen.
Ich werde sie erfüllen.
Ich bin bereit zum Leiten.





Ein ausgestorbener Pelzträger

Früher lebte das große Mammut,
doch ging es unter in der Eisflut.
Es hatte ein schönes dickes Fell,
das war bräunlich und leicht hell.
Dem behaarten Elefanten fehlte der Mut.





Die Bibliothek von Alexandria

In Alexandria lassen sich die meisten Bücher finden,
dort lernen die Gehilfen Bücher zu binden.
Die Bibliothek ist prall gefüllt,
der Bücherbestand, er schwillt und schwillt.
Doch eines Tages wird die Bibliothek von dort verschwinden.





Das Lesen der Naturzeichen

Die Natur spricht zu ihm
in Fährten und Zeichen.

Ein Abdruck im Lehm,
umgeknickte Zweige,
Spuren im Staub,
Fährten im Sand,
Tierausscheidungen.

Der Fährtenleser liest all das,
er wertet aus,
kleinste Details,
alles ist wichtig.

Das Winzigste
kann dem Ganzen
einen völlig neuen
Ausgang geben.

Der Wald ist sein Buch,
die Bäume seine Zeilen,
er kennt die Sprache.
Nur er!

Er beherrscht die ganze Klaviatur.
Ruhig und geduldig
Das ist seine Welt.

Tiere
Er versteht sie,
er folgt ihnen.
Manchmal könnte man meinen,
sei er einer von ihnen.

Der Fährte entgegen
Entdeckungen auf dem Boden
Eine unbekannte Welt im Staub





Der Held

Er spielte jeden Tag den Held,
und protzte mit seinem ganzen Geld.
Plötzlich war er pleite
und suchte schnell das Weite,
und arbeitete als Bauer auf dem Feld.





Mach doch was!

Mach doch was,
überlaufen ist das Fass.
Weil Du zugeschaut hast
und faulenzt ohne Rast.
Darauf ist bei Dir Verlass.





Die gestaltändernde Verwandlung
(japanisches Tanka-Gedicht)

Wandel der Gestalt
Anpassung der Amöben
Vielfalt der Formen

Wer sein Äußeres ändert,
bleibt seinem Inneren treu?





Der treueste aller Weggefährten

Sam oder Gamdschie, Samweis,
Frodos treuester Gefährte, wie jeder weiß.
Am Ende ist er es, der den Ring trägt,
auch wenn Gollum erfolgreich an ihm sägt.
Er hält durch egal, ob das Wetter kalt ist oder heiß.





Das Kochfeld

Schwarz ist das Kochfeld,
verlegen ist der Küchenheld.
Was soll er nur zum Essen machen?
Man darf ihn schließlich nicht auslachen.
Er dann zum Pizzaservice schnellt.





Pfeil und Bogen im Einsatz

Wann wurde er erfunden,
wer hat´s getan,
welchen Zweck verfolgt,
war´s die Jagd, Nahrung, Fleisch,
das Überleben zu sichern,
Schutz vor Tieren,
Intelligenz. Mut, Phantasie,
zum Ausgleich,
gehebelte Kraft,
nun überlegen dem Raubtier.

Auch genutzt in Kampf und Krieg,
der bessere Bogen zum Sieg,
bei allen Völkern genutzt,
mongolischer Reiterbogen als Vorbild,
eine wahres Kraftpaket,
symmetrisch der Aufbau,
im Kampf bewährt,
Furcht und Schrecken all überall,
ein Weltreich durch Pferd, Pfeil und Bogen.





Der gelbe Ohrensessel

Der gelbe Ohrensessel
wirkt wie eine Blickfangfessel.
Es ist die intensive Farbe.
Sie hinterlässt im Raum eine Narbe.
Als sei er ein Hexenkessel.





Das Klassenzimmer, es fliegt

1954 hebt das Klassenzimmer ab,
und hält deutsche Kinos auf Trab.
Erich Kästner liefert als Vorlage das Buch
und Kurt Hoffmann filmt eifrig genug,
dass jeder bedauert, wenn am Ende die Filmrolle macht Schnapp.





Der Blutegel am Bein
(japanisches Tanka-Gedicht)

Schmerzen an Beinen:
Angezapft der arme Wirt
Leben durch Andere.

Auf den Kosten Dritter zu
weilen: Ein Geschäftsmodell!





Das nimmerendende Delirium

Mitten im längsten Delirium
machte mein Schädel ganz schön brumm.
Die Kopfschmerzen wurden unerträglich,
die Qualen waren unsäglich,
da kam man ums Grübeln nicht herum!





Die Dampflokomotive The Rocket

Von den Gebrüdern Stephenson 1829 gebaut,
welche Konstruktion ist die beste,
die Bahnverwaltung schreibt einen Wettbewerb aus.

Die Brüder als Sieger,
ihr Entwurf überzeugt,
Aufträge nun an sie vergeben,
viele Dampflokomotiven werden gebaut.

Kohle und Eisen als Güter,
schwer und sperrig, der Transport,
zwischen Liverpool und Manchester,
eine Kutsche mit Dampfmaschine,
auf Schienen zum Ziel gerollt.

Irre, verrückt und gefährlich,
weit verbreitete Meinung in dieser Zeit,
Kessel und Zylinder, Wasser und Dampf,
ein Feuer aus Kohle,
die Grundidee dieser Technik,
bis heute verwandt.





Das Ballerspiel

Wer gerne die Kontrolle aufgibt,
und auf seinen Bildschirm kippt,
der sollte ballern ohne Ende,
und sich verschanzen im Gelände.
Am Ende er völlig ausflippt.





Vom Öffnen geschlossener Türen

24 Türen geschlossen.
Kindergesichter sind verdrossen.
Doch langsam öffnet sich Tür für Tür,
am vierundzwanzigsten folgt die Kür.
Am Adventskalender ist nichts mehr verschlossen.





Der Charakter der Helvetier

Sie waren einst ein mächtiger Stamm,
natürliche Grenzen gezogen durch den Rhein,
jenseits die Germanen,
der hohe, unwegsame Jura zu den Sequanern,
der Lemanner See, der Rhodanus,
Grenze zu den Römern.

In diesem Rahmen,
da lebten sie.
Diese natürlichen Grenzen,
sie beschränkten ihre Streifzüge.

Angriffe und Überfälle erschwert,
bis unmöglich!

Dies erzeugte großen Unmut,
so kriegslüstern sie waren!
Überzeugt von ihrem Wagemut,
angestachelt von ihren kriegerischen Erfolgen,
so kamen sie zur Einsicht,
Anspruch auf weit mehr Land zu haben.

Tapferkeit als Selbstzweck,
ohne sinnhaftes Ziel,
auch Verblendung gepaart mit Leichtsinn,
schlechte Ratgeber für ein Volk,
leicht führt dieses ins Verderben.





Bruchlandung bei den Bohemiens
(japanisches Tanka-Gedicht)

In Künstlerwildnis
bruchgelandet, Chaos pur.
Der Bohemienthron

im Zentrum allen Handelns.
Holdes Anarchistentum.





Die Maus des Bussards
(japanisches Tanka-Gedicht)

Sie huscht auf der Erde,
wenig wissend was passiert.
Die Flügel schlagen.

Schneller Sturzflug hinunter
Krallen bohren sich hinein





Die Tartanbahn

Die 400 Meter lange Bahn,
für manche Schrecken, für andere Wahn.
Sie ist von einem merkwürdigen Rot,
die weißen Linien sind im Lot.
Doch einer rennt mit wildem Elan.





Mach Dir Notizen

Mach Dir Notizen,
wir sind Komplizen.
Drum schreibe mit,
Schritt für Schritt,
sonst kriegen uns die Milizen.





Ein Zaubertrick mit drei Akten

Ein richtig guter Zaubertrick
beginnt mit einem Themenüberblick.
Dann folgt der Effekt
das Prestigio-Finale ist dann perfekt.
Nur so macht es beim Zuschauer Klick.





Diese ganzen nervigen Vergleiche

Dieser ständige Vergleich!
Ausgesiebt werden
Gegeneinander antreten
Präsentieren und lösen
Nachdenken und übertrumpfen
Gewinnen und verlieren

Assessment-Center
Moderne Gladiatoren-Arena
Heutiger Kampf auf Leben und Tod
Welch krankmachender Abgleich!

Am Ende kann es nur einen geben.
Und der Rest?
Die nächste Aussiebung,
sie kommt bestimmt…





Eine Frau aus New Orleans

Eine Frau wird von ihrer Familie schikaniert.
Sie ihr Herz an einen Mann aus dem Norden verliert.
Aus New Orleans, da kommt sie her,
in Montana möchte sie bleiben für mehr.
Nach ihrem Weggang ist die Mutter sehr pikiert.





Der durchgedrehte Rasensprenkler

Der Rasensprenkler ist durchgedreht,
jemand hat ihn aufgedreht.
Nun ergießt er sich als permanente Fontäne,
über die gelbe Rasenmähne.
Das Wasser auf dem Rasen steht.





Sparta

Im Süden Griechenlands liegt Sparta,
da sind die Menschen einfach härter.
Nach altem Muster läuft dort die Erziehung,
Aussetzung und so manche Erniedrigung.
Nach dem Krieg ist Sparta versehrter.





Die goldene Stehlampe

Ein Erbstück
aus längst vergangenen Zeiten,
einer Urgroßtante gehörte dieses Stück.
Sie war ziemlich reich gewesen,
nach dem, was man so
in der Familie gehört hat.
Jedenfalls war es ihre Stehlampe.

Golden
Mit einem großen beigen Schirm,
mit herabhängenden Fransen.

Ich muss an Ägypten denken.
Die Stehlampe erinnert mich
an die goldene Kleopatra.
Ich weiß auch nicht,
woher diese Assoziation stammt.

Die Lampe der Pharaonen
Eine schmale Pyramide
Die leuchtende Sphinx

Es ist eine braune Kordel,
zieht man daran,
so geht die Lampe aus.
Diese Kordel passt nicht,
sie ist schäbig,
im Vergleich zum Rest ein Fremdkörper.

Kleopatra am Nil
Die Kordel am Schirm
An und Aus
Ein Erbstück aus Gold





Die Reise Candides
(japanisches Tanka-Gedicht)

Durch halb Europa
geflüchtet zugleich gereist,
den Sinn gefunden.

Sollte Orangenanbau
wirklich das letzte Wort sein?





Das Gewicht der Massen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Die Erde bebt stark.
Das Hufgedonner ertönt.
Die Herde ist eins.

Es gleicht einem Erdbeben
Gibt der Boden etwas nach?





Die Hochzeitstorte

Die mehrstöckige Hochzeitstorte,
ist von der süßesten Sorte.
Sie hat einen Zuckerguss in Weiß
und einen sehr hohen Preis.
So schreitet man durch die Ehepforte.





Die Bête du Gévaudan

Aus exotischen Gefilden hat der Jäger es mitgenommen,
da hat er sich wohl übernommen.
Die Bestie ist eine Urgewalt
und macht unsicher den Wald.
Ihr Charakter ist gänzlich verkommen.





Die unterbesetzte Station

Sparzwang
Rotstift,
der wird angesetzt:
Überall!

Verheerend die Auswirkungen
Leere Stationen
Überarbeitete Ärzte
Müde Augen
Ausdrucklos

Unkonzentriert operieren?
Kein Einzelfall mehr,
eher die Regel!

Viele Fehler, viele Gefahren,
Sparen kostet Leben,
Rotstift bringt den Tod!

Der erreichte Kipppunkt
Die Wende zum Schlimmen
Weniger geht nicht mehr!





Schwer gelangweilte Zuhörerschaft

Ist man in einem Vortrag gefangen
und leider nicht rechtzeitig gegangen,
dann wird das Zuhören zu einer Qual,
es leidet mit der volle Saal,
man kann nur dem Ende entgegenbangen.





Lass uns einen trinken

„Lass uns einen trinken,
zu dem guten Schinken,
passt ein teurer Rotwein.“
„Da sag ich nicht nein,
wer will da schon abwinken?“





Eine Person ohne Feinde
(japanisches Tanka-Gedicht)

Gütig, wohlwollend,
eine Frau ohne Feinde.
Strahlkraft für alle.

Freiwillig fügen sich ihr
alle Leute mit Freude.





Die Nussverstecke des Eichhörnchens
(japanisches Tanka-Gedicht)

Viele Verstecke:
Im Baum und in der Erde.
Alle vergessen!

Wozu das ganze Sammeln,
wenn das Gedächtnis nicht reicht?





Der USB-Adapter

Der Kabelmittler
zwischen zwei Welten,
weiß lang,
quadratisch geöffnet,
das Tor zur digitalen Welt.

Nullen und Einsen
wechseln sich ab,
der Adapter
macht es möglich.

Er verbindet,
baut Brücken,
überquert Schluchten,
die sonst keiner überbrückt.

Er ist die Verbindung
der alten zu der neuen Welt,
besser gesagt:
von der neuen zur noch neueren Welt.

Das Nadelöhr der Moderne
Die Verbreiterung des Flaschenhalses

Eine Möglichkeit der Adaptierung
Wechselseitige Vorteile

Drei Buchstaben
stehen für Fortschritt:
Das U, das S, das B.
Ein Adapter für die Zukunft





Beim Durchkreuzen eines Platzes

Auf den freien Flächen
hörte ich sie sprechen.
Mitten auf dem Platz
sprach sie diesen Satz.
Es war mehr als ein Versprechen!





Das Doppelspiel des Camerlengos

Nach dem kaschierten, geheimen Papst-Mord
führt der Camerlengo die Geschäfte stellvertretend fort.
Er spielt sein Doppelspiel
bis ganz zum Ziel,
denn bei der Papstwahl will er das letzte Wort.





Die profitable Privatisierung des Krieges

Der Krieg ist privatisiert
und nur eine Firma regiert.
Es ist eine Schattenarmee,
getrieben von einer Idee,
die sie antreibt und giert.





Die Verantwortung für eine Herde

Er führt zusammen,
schenkt Vertrauen und Obhut,
hält seine Schafe zusammen.

Sein Schäferhund hilft,
bellt und schreckt ab.
Die weiße Masse folgt
ohne Murren,
Angst vorm Knurren.

Der Hirte hält seinen Hirtenstab
schützend über die Herde.
Er ist der Anker,
der Mittelpunkt des Geschehens,
das Zentrum der Herde,
sein Geist.

Er wandert umher,
bergauf, bergab.
Kleine Bäche kreuzen seinen Weg,
er überspringt sie.
Dornenbüsche weicht er aus,
zu steile Berghänge lässt er links liegen.
Das schaffen seine Schafe nicht.

Er denkt an sie.
Fürsorge
Er kämpft für sie.
Seine Herde ist ihm wichtig.

Sein Hund und er,
ein eingespieltes Gespann,
ein Duo.
Jeder kann sich auf den anderen verlassen.





Durchgefallen

Er ist durch das Abitur durchgefallen,
die Korken lässt er nicht mehr knallen.
Seine Leistung war schlecht,
gelernt hat er nicht recht.
Seine Fäuste sich vor Wut ballen.





Alle Arten von Traumzuständen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Der dumpfe Tiefschlaf
erholt bisher am besten.
Der luzide Traum

scheint selbstgesteuert zu sein.
Doch wer lenkt ihn wahrhaftig?





Von der Gefährlichkeit von Krallen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Scharfkantig und spitz
Verletzt wurden schon viele
oder zerrissen

Er scheint sein Revier sehr stark,
verteidigen zu wollen.





Wenn Rache zur Besessenheit wird

Wer sich gerne möchte rächen,
offenbart geistige Schwächen.
Wer ständig an seine Rache denkt,
viele Möglichkeiten verschenkt
und wird vielleicht daran zerbrechen.





Zu sehen, aber nicht zu erkennen

In jedem großen Film
ist er zu sehen,
nur erkennen
kann man ihn nicht.

Von hinten
oder ohne Gesicht,
von weitem
verschwommen,
unkenntlich gemacht.

Das ist sein Schicksal.
Er übernimmt die Gefahr,
den Ruhm übernehmen andere.

Irgendwie sinnlos
Drecksarbeit des Stuntmans

Warum nicht er?
Warum ist er nicht berühmt?
Schließlich sein Verdienst
sein Mut
seine Waghalsigkeit
sein Können.

Andere profitieren
und kassieren.

Abgespeist!
Das wird er.

Mit Actionszenen geködert,
mit Adrenalin bezahlt,
mit Nervenkitzel entlohnt.

Doch das reicht nicht mehr.
Mehr
viel mehr,
es steht ihm zu.

Die Arbeit
erledigt er,
sonst keiner.





Schluss

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