Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 03 Quartal 2005
Die rote Wolke
Die rote Wolke am Horizont,
markiert die fernliegende Front.
Sie scheint weit weg,
so fern zu liegen,
als würde ich sie niemals kriegen.
Nun ist die Sonne untergegangen,
doch die rote Wolke steht noch da.
Das Licht wird schwächer in den Bergen,
doch die Dunkelheit kann die rote Wolke nicht verbergen.
Die Sonne, sie geht am nächsten Tag auf.
Das Firmament nimmt seinen Lauf.
Doch die rote Wolke steht immer da,
am Horizont, so fern und klar.
Ein Marktplatz ohne Schreie
Der Stand steht verlassen da.
Diverse Obstsorten werden angeboten,
von den Trauben scheint heute niemand
etwas kaufen zu wollen.
Das Holz des Standes
könnte einen Anstrich vertragen,
die rote Farbe blättert ab.
Das grüne Dach
sieht noch am besten aus.
Links und rechts neben an,
stehen keine Stände.
Direkt gegenüber ebenso wenig
Kisten stapeln sich unter dem Tisch.
Die meisten sehen so aus,
als hätte man sie über Jahre hinweg
nicht mehr befüllt.
Einige lagern unter einem blauen Netz.
Der Stuhl ist leer.
Die Schreie bleiben aus.
Der Kopf des Weißkopfadlers
Sein Kopf ist stets aufgerichtet,
wenn er seine Arbeit verrichtet.
Die Augen sind wie ein Objektiv,
der Blick ist wie ein Detektiv,
wenn er eins seiner Opfer sichtet.
Der Gott Amun
Der Gott Amun ersetzt seinen Vorgänger Montu,
und das geht dann auch im Nu.
Der Falkenkopf hat ausgedient,
die Menschengestalt hat er mehr verdient.
Die Menschen plagt keine Unruh.
Das lebende Türschloss
Türen öffnen
Türen schließen
Leute gehen hinein.
Leute gehen hinaus.
Doch der Türsteher steht daneben.
Er nickt mit dem Kopf.
Er schüttelt ihn,
entscheidet über
Zugang oder Abgang.
Er gehört zur Tür,
wie die Türklinke
oder das Scharnier.
Der Türsteher hält die Tür.
Nicht verschlossen,
aber auch nicht geöffnet.
Er ist das lebende Schloss
und er ist auch
der passende Schlüssel.
Tür öffne Dich!
Doch sie bleibt dicht.
Der Kopf schüttelt sich.
Unzählige Male geschieht dies
an nur einem Abend.
Sieg oder Niederlage?
Herein oder heraus?
Entscheidung!
Aus dem Bauchgefühl
Seilspringen
Der eine Fuß er springt,
der nächste folgt geschwind.
Das Seil dreht sich nun rasend schnell,
die Turnschuhe sind richtig hell,
was dieser Sprung vollbringt.
Reg Dich ab
Reg Dich ab,
halt Dich nicht auf Trab.
Atme tief ein,
geh in Dich hinein.
Sonst geht’s mit Dir hinab.
Ein Leben im ständigen Fluss
(japanisches Tanka-Gedicht)
Heimisch im Flusslauf
Jeder Barbe liebster Ort
Ein Leben im Fluss.
Ständige Bewegungen
bilden seine Existenz.
Besessen von einem Stück Metall
Boromir ist der Sohn des Truchsessen,
von dem einen Ring wie besessen.
Den möchte er Frodo entreißen,
um das Land den Sieg zu verheißen.
Am Ende hat seine Gier ihn zerfressen.
Der Schmorbraten
Was heute gegessen wird, kann jeder erraten,
es ist der kostbare Schmorbraten.
Im ganzen Haus verteilt sich sein Duft,
alle riechen den Braten in der Luft.
Kaum einer kann das Essen erwarten.
Die Templerkirche in Dinan
Gebäude, Burgen, Kirchen, Namen,
Erinnerungen in Europa, die Templer,
vor allem in Frankreich, in der Bretagne zuhauf.
Verschwörungstheorien sich bilden,
das Geheimnis des Grals,
Jesus als Vater, Maria Magdalena ein Kind.
Vor Jahrhunderten vernichtet,
Opfer von Missgunst und Neid,
steingewordene Erinnerung, in Kirchen vereint.
Die Templer, auch in Dinan ihre Spur,
die Stadt, auf einem Hügel, stolz über dem Fluss,
Stadtmauer und Fachwerk, Burg und Kirchen,
das Kreuz der Templer, dort gehauen im Stein.
Die kostbare Chinavase
Die kostbare Vase aus China
wird verehrt von Tina.
Sie mag den Kaolinit,
nicht gerade hart wie Granit.
Doch hassen tut sie Ina.
Boston und die Iren
Die irische Mafia hat Boston fest in der Hand,
das ist jedem Bostoner seit langem bekannt.
Bei Einem führen die Fäden zusammen,
er verletzt Leute mit mehr als nur Schrammen
und expandiert auf das ganze Land.
Im Würgegriff des sicheren Todes
(japanisches Tanka-Gedicht)
Anakonda würgt.
Erbarmungslos umschlungen.
Der Griff sitzt perfekt.
Der Sauerstoff bleibt schnell aus,
das Opfer erstickt qualvoll.
Unerhört ungebeten
Genau zur falschen Zeit
ist es wieder soweit:
Sie wollen mich besuchen!
Da kann ich nur noch fluchen.
Zu einem Spontanbesuch so gar nicht bereit!
Die erste Stahlindustrie
Bronze, härter als Kupfer,
eine erste Legierung überhaupt,
gab der Epoche ihren Namen,
später dann Eisen und Stahl,
es zu schmieden,
lange ein Menschheitstraum war.
Im 19. Jahrhundert, Dampf, Kohle, Eisen,
technisch der Fortschritt, neue Technologien,
im Zuge der industriellen Revolution,
Eisenerz zu Stahl, große Hüttenwerke,
Produktionsstandorte waren.
Ein neuer Wirtschaftszweig, die Schwerindustrie,
von überragender Bedeutung, liefert Produkte aus Stahl.
Teile zum Schmieden, Blech, Schienen, Draht,
Stahl als Werkstoffe, allerorten zuhauf,
im Haushalt, in Brücken, im Automobil,
in Bauten, Waffen, Werkzeug, Maschinen,
unverzichtbar, alles mit und aus Stahl.
Die Fortsetzung des Gothic-Universums oder Die Nacht des Raben
In der Hafenstadt Khorinis der Held erwacht,
das Minental wird von vier Drachen bewacht.
In Jharkendar warten viele Gefahren auf den Helden,
doch der kann mit dem Auge Innos nur Erfolge melden.
Am Ende auf Irdorath der untote Drache nicht mehr lacht.
Die ewig gleiche Musik
Wenn die Familie Weihnachten feiert,
die CD die alten Lieder leiert.
Rauf und runter wird gespielt,
das Repertoire tausend mal durchgespielt,
wenn die Musik durch den Raum geiert.
Gewalt in Gallien
Das Land der Sequaner,
vertragsgemäß schnell durchquert,
die Helvetier umso mehr mordend,
plündernd und verwüstend,
streifen im Gebiet der Häduer umher.
Felder verwüstet,
Städte gestürmt,
Kinder versklavt
Auch andere Stämme,
blutsverwandt den Häduern,
waren betroffen.
Der Ansturm,
flächendeckend, gewalttätig und arg,
verwüstet das Land.
Selbst die Allogroger,
Dörfer, Besitzungen jenseits des Rhodanus,
auf der Flucht ohne Hab und Gut.
Gallisches Land in der Krise
Sofortiges Handeln in besonderer Not!
Eine Witwe aus San Francisco
(japanisches Tanka-Gedicht)
Erbschleicheropfer,
liebesgeblendet, trunken,
trügerisches Glück.
Nach dem Mann auch die Achtung
vor sich selbst ganz verloren.
Blick auf das wahre Leben
(japanisches Tanka-Gedicht)
Klein und so quirlig,
so verbringt er die Tage,
als gebe es nichts.
Das Spielen als Lebenssinn
Die echte Unbeschwertheit
Die Ostereiersuche
Im Garten sind viele Ostereier versteckt,
das Kind hinter jedem Strauß den Kopf reckt.
Der Osterhase war recht fleißig,
das Kind findet Ostereier dreißig.
Die Eltern stoßen an mit Sekt.
Mäh doch mal den Rasen
„Mäh doch mal den Rasen,
dresche nicht so viele Phrasen.
Du solltest Dir Deine Luft gut einteilen,
der Garten ist steil bisweilen.“
„Das kannst Du abblasen!“
Undurchsichtige Vergangenheit des Angeklagten
Was lange zurückliegt,
die Vergangenheit zurechtbiegt:
Der Angeklagte erscheint im dubiosen Zwielicht,
wie ein gemeiner Schuft oder Wicht,
der ziemlich bald auffliegt.
Die große Streichung
Wen wird es treffen?
Die Stellenstreichung,
wie ein Bombeneinschlag.
Viele Stellen werden dran glauben.
Und mit ihnen die Arbeitnehmer.
Existenzen hängen in den Abgrund hinein.
Der Faden wird reißen.
So dünn ist er doch!
Arbeitsplätze in Not
Menschen in heller Aufregung
Gestrichen!
Die Stelle ist weg.
Und mit ihm ein Mensch.
Broker statt Poker
Das Kartenspielen war sein letzter Joker,
er entschied sich für professionelles Poker.
Er hat sich beim Kartentraining gedrillt,
am Pokertisch wurde er aber gegrillt.
Ach wäre er doch nur geworden Broker!
Das Schneefanggitter
Das silberne Schneefanggitter
hält Schnee und Eissplitter.
Drum fällt nichts auf die Leute,
weder gestern noch beim Tauen heute.
Keine Chance hat der Schnitter.
Der blutige Ionische Aufstand
Unter der persischen Herrschaft
ist der Kampfgeist nicht erschlafft.
Man startet eine Rebellion,
denn zu groß war der Hohn.
Das macht keiner ungestraft.
Angeln im Fluss
Es fließt so einfach und so leise,
die ganze Zeit ohn Unterlass,
man sieht auf diese eine Weise
kein Fisch, sondern nur blaues Nass.
Die Angel fest in der Hand,
weit hinausgeworfen,
vielleicht beißt einer jetzt bald an,
so langsam wär‘s angeraten.
Alles ist beständig im Fluss,
die Fische schwimmen mit,
anderes bleibt ihnen auch nicht übrig,
sie folgen sich auf Schritt.
Nur an den Haken möchte keiner,
das durchschauen sie dann doch
und so schwimmt nicht mal einer
in dieses Angelloch.
Es ist zwecklos und vergebens,
so dumm sind Fische nicht,
sie riechen meinen Köder nirgends
und doch führ ich keinen hinters Licht.
So ziehe ich die Leine ein,
es hat ja keinen Sinn,
das Wasser fließt,
die Fische schwimmen
und ich faß mich ans Kinn.
Die Girondisten
(japanisches Tanka-Gedicht)
Heimat im Süden.
Gehobenes Bürgertum
begehrt endlich auf.
Später hingerichtet von
den Sansculottes, gnadenlos.
Das traumatisierte Gedächtnis
(japanisches Tanka-Gedicht)
Niemals vergisst er
und vergeben wird er nicht.
Erinnerungen
Es wäre besser ihn nicht
auf die Probe zu stellen…
Das Küchenmesser
Das Küchenmesser ist gewetzt,
der Unterschied wird unterschätzt.
So schneidet es richtig scharf,
wie man es kaum darf,
denn möglich ist, dass man sich verletzt.
Das umzingelte Edinburgh
Georg ist der König der Sachsen
und seine Macht, die soll weiterwachsen.
In Nordengland ist sein Herr gelandet,
marodierend haben sie Edinburgh umrandet.
Die Einwohner machen keine Faxen.
Das Ausscheiden aus aller Tätigkeit
Plötzliche Kopfschmerzen
Besinnungslosigkeit
Ein Fall
Zu Boden
Aus dem Arbeitsleben
Hinauskatapultiert
Gewaltsam
Ohne Wiederkehr
Grausam kann das Leben spielen.
Ohne Gnade,
ohne Maß und Mitte!
Ohne Arbeit,
da kann das Leben
fürchterlich werden!
Fürchterlich langweilig,
eintönig,
frustrierend.
Ist das Arbeitsleben das Leben?
Gibt es eine Existenz,
ohne eine finanzielle Existenz?
Einheit von Mensch und Tätigkeit?
Der ins Badezimmer einsteigende Ripper
Der Ripper steigt durchs Badezimmer,
das macht er so eigentlich immer.
Er klettert auf einem Stapel Fässer,
bewaffnet mit einem langen Messer
und dann wird er ein richtig Schlimmer.
Lasst uns das Spiel drehen
Lasst uns das Spiel drehen,
ich kann nur demütig flehen:
Nehmt die Sache in die Hand,
drängen wir sie an den Rand.
Wir müssen unseren Mann jetzt stehen.
Rückkehr ins entweihte Zuhause
(japanisches Tanka-Gedicht)
Eingenommen von
verbrecherischen Horden,
entweiht von Gangstern.
Das eigene Zuhause
mühsam zurückerobern.
Der Beutel des Kängurus
(japanisches Tanka-Gedicht)
Beutel: geborgen.
Das Kleine hört den Herzschlag.
Auf und ab beim Sprung.
Verbindung zwischen Mutter
und Kind ist vertrauensvoll.
Die Brille auf dem Tisch
Sehhilfe
Der Krückstock fürs Auge,
ohne ihn nur mühsames Sehen.
Verzerrt-verschwommene Realität
Unwirkliches Wahrnehmen
Ein so verzerrtes Abbild,
das es schon keins mehr ist.
Wahrnehmung gestört!
Unschärfe
Es ist ein komisches Spiegelbild,
man sieht ohne zu sehen.
Man nimmt zwar wahr,
aber Sehen der wichtigste Sinn.
Blindheit fast,
mit Dunkelheit geschlagen
Eine Welt ohne Konturen und Schärfe,
ohne Ecken und Kanten
Zwei Kreise auf der Nase,
das Leiden endet,
aber nur auf Zeit.
Sehhilfe
Ohne Hilfe kann ich also nicht sehen.
Abhängigkeit
Ein Zustand der Hilflosigkeit
Dioptrien-Gier
Der Griff zu stärkeren Gläsern,
für kurze Zeit sehe ich schärfer,
bis die nächste Gehhilfe kommt.
Komplizierte menschliche Beziehungen
Trifft ein Mensch auf andere Menschen
fangen sie schnell an zu kämpfen.
Streit ist da vorprogrammiert,
die Ruhe äußerst schnell pausiert.
Friedvolle Erwartungen sollte man dämpfen!
Die perfekte Kopie von Angelina
Sarah ist Angelina Jolies identische Kopie.
Anders als ihr Vorbild verhält sie sich nie.
Im Filmgeschäft wartet sie auf den großen Durchbruch,
doch momentan steht ihr eigener Film auf Abbruch.
Im Kontakt zu Angelina stimmt leider nicht die Chemie.
Die zwei Gesichter des Antons
Anton hat ein zweites Gesicht.
Das kennt man nur nicht.
Er hat es sich operieren lassen.
Die Polizei kann ihn so nicht erfassen.
Er so aus der Menge nicht heraussticht.
Das Fehlen der inneren Überzeugung
Die Gemeinde,
sie vertraut ihm.
Seelenheil
Messe am Sonntag
Hostien
Vater unser
Amen
Die Predigt,
hört sich immer gleich an,
gehaltlos trotz Inhalt,
die gleichen Sprüche
in anderer Form.
Jede Woche,
aufs Neue serviert,
kaum jemand hört zu.
Kirchenlangeweile
Den Pfarrer stört‘s nicht,
er glaubt nicht,
schon lange nicht mehr,
vielleicht sogar noch nie.
Es fällt ihm leicht,
die Predigt abzuspulen,
wie ein Tonband,
das täte es auch.
Kein Funke
Kein Glaube
Kein Mitreißen
Jeden Sonntag
aufs Alte
für ihn.
Ein normaler Job,
die Kirche als Büro degradiert.
Sinneswandel?
Nur durch ein Wunder!
So geht es weiter,
Predigt ein,
Predigt aus.
Es fehlt ein Schäfer,
ein Hirte.
Das Paket per Drohne
Das Paket kommt mit der Drohne:
Kleidung, Bücher oder eine Melone.
Alles kommt nun angeflogen,
landet sicher und unverbogen,
auch Geräte wie ein Phone.
Wenn ein Paradoxon den Tod bringt
(japanisches Tanka-Gedicht)
Das Ende aller
Widersprüchlichkeiten ist
der Gevatter Tod.
Die Zweifel werden enden
und mit ihnen das Rätsel.
Die Steine auf dem Weg des Retters
(japanisches Tanka-Gedicht)
Ein übersprungenes
Hindernis ist ein Leichtes.
Gleichgewicht bewahrt.
Auch ein Retter muss üben,
wenn er das Leben bewahrt.
Das minderwertige Filmorchester?
Das Etikett der Zweitklassigkeit,
es haftet an ihnen.
Eine Bande von Verlierern?
Schlechten Musikern?
Die, die keiner haben will?
Aussortiert?
Rausgenommen?
Und dann zusammengesetzt:
als Orchester der zweiten Geigen?
Das Filmorchester,
Komplexe
zuhauf
Minderwertigkeitskomplexe
bei fast allen.
Halten sich für Durchschnitt
allenfalls mittelmäßig begabt,
nur leicht besser als die meisten
und eben keine Spitzenklasse,
kein Champions-League-Orchester.
Doch das alles zu Unrecht.
Sie zaubern
auf ihre Art
in ihrer Weise,
untermalen musikalisch den Film,
kreieren einen Soundtrack,
einen, den jeder kennt,
den alle schätzen,
der gern gehört wird.
Was ist daran minder?
Erste-Klasse-Musik
ohne Wenn und Aber.
Ein Ensemble im Film
für die Leinwand,
die gute Seele im Streifen.
Oscarverdächtig
Schluss
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