GedichteJahr 2007

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 04 Quartal 2007




Anführer der digitalen Streitmacht

Kein Einbruch,
jedenfalls nicht im klassischen Sinn.

Programm-Code
Befehle über Befehle
Zahlen nach Zahlen
Klammern, Absätze, Skripte

Alles greift ineinander,
abgestimmter Angriff,
zeitlich geplant.

Firewall umgehen,
ausschalten,
Schwächen des Browsers ausnutzen,
die meisten updaten ohnehin nicht.

Veraltete Betriebssysteme,
in die Jahre gekommene Programme,
ein leichtes Spiel,
zu einfach für einen wahren Hacker.

Ausspionieren
Trojaner

Alles wird mitgeloggt,
jede Tastatureingabe,
jeder Mausklick,
einfach alles.

Totale Kontrolle
Geister-Netzwerk
Bots

Eine digitale Streitmacht,
sie wird angeführt von einem PC,
von einem Hacker.





Die Kreation mit den Elementen

Was glänzt, ist nicht alles Gold.
Er muss es wissen,
das Edelmetall wird durch
seine Hände Arbeit geformt.

Feine Ketten
Kostbare Uhren
Teure Ringe

Sie alle kennen
die gleiche Ausgangsbasis,
das gleiche Element,
dieses Metall,
dessen Farbe so eigentümlich ist
und so wenig in das Farbspektrum passt.

Gold!
Das muss eine eigene Farbe sein,
ein eigenes Element,
ein ganz urtümlicher Urstoff

In Reinform ist er weich wie Knete,
doch als Legierung hart wie Stahl.

Der Goldschmied setzt einen Edelstein ein.
Es ist ein Diamant,
der härteste Stoff
entstanden aus Jahrmillionen Druck
von Tonnen Gestein.

Den kann man nicht mischen,
man kann ihn nicht wie Knete verformen.
Er ist weiß.





Gefährliche Flossen

In der Nähe vom Kai,
schwimmt der Hai.
Man sah seine Flossen,
wie sie durch die Wellen schossen.
Der Fänger sagt goodbye.





Seneca

Wer in den schönsten Villen lebt,
und in Millionen schwebt,
der spielt gern den Philosophen,
und verfasst unzählige Strophen,
wenn er sich denn mal vom Bette erhebt.





Die Bank vor dem ruhigen See

Das Wasser,
es ruht in kleinen Kreisen,
angestoßen vom leichten Wind.

Er fährt über das Wasser,
leichtfüßig wie ein Kind.

Die Bank,
sie steht so hölzern,
vor diesem einen See.
Und doch ruht hier keiner,
auf ihrem hölzern Steg.

Kein Wanderer verirrt sich,
in diese Gegend nur,
keiner kommt hier vorbei,
das ist der ewige Schwur.

Allein und verlassen,
die Bank marode trist,
es findet sich niemand,
der hier sein Plätzchen nimmt.

Kurz Pause macht oder rastet
oder ein Picknick gar
oder eine kleine Feier,
nein, niemand immerdar.

Der ewige Ruheplatz,
die Bank,
sie bleibt leer.
Gewiss ist es,
niemand,
kommt hier zum Rasten her.





Auf den Anruf warten

Man wartet auf den Anruf lange,
so langsam wird einem doch bange.
Wann ertönt endlich der Klingelton?
Wann regt sich dieses moderne Phone?
Es ist der Arzt, man braucht eine Zahnspange.





Lern für die Schule

Lern für die Schule
setz Dich auf den Stuhle.
Lass aus kein Fach,
sonst steig ich Dir aufs Dach.
Genieß die Lern-Module.





Glanz und Pracht im Wasserreich
(japanisches Tanka-Gedicht)

Schwarz und rot im Teich,
vereint in einer Farbe.
Das Rotauge sieht.

Welch prachtvoller Farbenglanz
sich da im Wasser ergießt!





Der Hexenkönig von Angmar

Die Nazgûl kennen einen Fürsten,
dem wird es nach viel Blut dürsten.
Kein Mannes Hand kann ihn bezwingen,
und ihn im Kampfe niederringen.
Doch Éowyn wird ihn zu Tode bürsten.





Die zerlaufenen Spiegeleier

Die zerlaufenen Spiegeleier,
riechen wie ein toter Geier.
Alles ist ineinandergelaufen,
ein großer weißgelber Haufen.
Über allem liegt ein dumpfer Schleier.





Das Haus Anjou

Die Ursprünge am Rhein,
ein fränkisches Adelsgeschlecht,
Könige der Franken,
auch Kapetinger im Stamm.

Weit verzweigt die Dynastie,
ein älteres, ein jüngeres Haus,
machtvoll, dominierend in Frankreich das Ziel.

Vom König als Lehen gewährt,
die Grafschaft Anjou,
an Karl, der Lehnsherr, Stammvater der älteren Dynastie.

Herrschertitel dann zuhauf,
in Neapel, Sizilien, Jerusalem,
auch Throne in Ungarn und Polen,
überall die Königswürde gekauft.





Das eingekrachte Bett

Das Bett ist eingekracht
und zwar mitten in der Nacht.
Schnell wird es repariert,
die Halterung fixiert,
das wäre doch gelacht!





Ein Agent im Nahen Osten

Ein Agent im Einsatz im Nahen Osten,
bezieht einen wahrlich gefährlichen Posten.
Er wird am Ende von allen verraten,
die ihn teils um Hilfe baten.
Er muss von wahrer Verzweiflung kosten.





Der emsige Kolibri
(japanisches Tanka-Gedicht)

Die Flügelschläge
in so schneller Abfolge.
Um Tod und Leben.

In wenigen Sekunden
schlägt er hunderte Male.





Silberne Pfeilzüge

Will man schnell reisen durchs Land
und möchte nicht fahren durch eigene Hand,
kann man in einen Hochgeschwindigkeitszug steigen,
die in Kurven hineinrasen und sich dabei neigen
und eine Rekordzeit hinlegen, so rasant!





Die Privilegierten wollen keine Reform

Die Französische Revolution, ein Fanal,
der feudalistische Ständestaat an sein Ende kam.
Geistlichkeit und Adel, die Privilegien dahin,
Prägung und Selbstverständnis der Republik,
noch heute gestützt durch die Revolution.

Eine konstitutionelle Monarchie zu schaffen,
eine Alternative nach britischem Vorbild zu Beginn.

Ein Weg mit Reformen,
Privilegien fort,
Zahlung von Steuern für alle,
die Verweigerungshaltung setzte sich fort.

Blockade und Ablehnung jedweder Reform,
keine Privilegien zu opfern,
der Adel bleibt stur,
provoziert radikale Entwicklungen,
Terror und Guillotine auch Scheinlösungen nur.





Dark Project oder Thief

Ein Meisterdieb im ausklingenden Mittelalter,
sucht geheime Gänge und versteckte Schalter.
Er wird selbst zum Schatten in der Dunkelheit,
nimmt Gold und Geld und Kostbarkeit.
Im Hintergrund zieht die Strippen der Verwalter.





Kein Klee auf der Weide

Auf dem Südpol sucht das Rentier auf seiner Weide aus Schnee,
vergeblich grüne Stängeln Klee.
Seine Suche muss es schnell beenden,
den Weihnachtsmann befördern bis an die Welten Enden.
Doch dann fällt ihm ein, es ist nur ein Reh.





Der Rückzug der Sonne

Der Morgen graut,
der Bergkamm besetzt,
die Truppen warten,
vom Feind unbemerkt,
stehen bereit,
den Angriff zu starten,
wenn der Befehl erfolgt.

In aller Stille weht ein Wind,
die Bäume bewegen sich langsam.
Tausendsechshundert Schritte,
vor dem feindlichen Lager entfernt,
ringsum friedliche Natur.

Die Truppen pirschen zum nächsten Hügel,
lautlos schleichend.
Der Angriff von allen Seiten soll es sein,
um die Feinde vernichtend zu schlagen.

Im Laufe des Tages kommt der Befehl,
der Berg längst eingenommen,
wenn die Sonne ihren Rückzug begonnen.





Der sensationelle Tennisspieler
(japanisches Tanka-Gedicht)

Aufschlagsspezialist,
bester Spieler des Platzes
Niemand besiegt ihn.

Tennisspielen liegt ihm im
Blut, so einfach das Talent.





Ein Rücken im Schmerz
(japanisches Tanka-Gedicht)

Dackelrücken lang,
Bein viel zu kurz geraten.
Der Schmerz: Begleiter.

Jeder Schritt tut sehr stark weh.
Horizontales Wesen





Das Ende der Zeit

Beim Ende der Zeit,
ist keiner bereit.
Man schaut auf die Uhr,
wie spät ist es nur?
Ach Gott, schon so weit!





Schreib sie an

Schreib sie an,
ob sie heute kann.
Vielleicht passt es ihr nicht,
ihr Terminkalender ist dicht,
ein andermal irgendwann.





Ein ganzes Tal mit Elektrizität

Abgeschnitten vom Fluss der Elektronen
werden sich die neuen Strommasten lohnen.
Das ganze Tal hellt sich nun auf,
mit Karte funktioniert nun der Einkauf,
das muss man nicht eigens betonen.





Von der Entstehung von Gerüchten

Hier entstehen sie:
Die neusten Gerüchte.
Hier werden sie geboren,
geformt und ins Leben gesetzt.

Die Kausalkette nimmt hier
ihren Ausgangspunkt:
Für manche irre Wendung!
Genau hier,
in der Gerüchteküche.

Gerüchten-Geburt aller Arten
Lügen und Alltagssagen
Märchen und Boshaftigkeiten.
Das Licht der Ungenauigkeit
brennt für alle Ewigkeit!





Felix und die Stadt New York

Statt allein zu Haus zu sein,
steigt Felix in den Flieger ein.
In der Stadt, die niemals schläft, wird er landen,
dort, wo sich auch schon andere herfanden.
Im Big Apple fühlt er sich ganz allein.





Blätter im Eingangsbereich

Blätter im Eingangsbereich
sind jeden Tag zahlreich.
Der Wind bläst sie hinein,
die Elemente sind nicht fein.
Wegfegen ist nicht facettenreich.





Die Komödien von Aristophanes

Lysistrata ist sein bekanntestes Werk,
die Frauen Athens verschanzen sich auf dem Akropolis-Berg.
Die Babylonier und die Vögel schrieb er,
die Thesmophoriazusen und noch viel mehr.
Komödien-Leser machen sich einen Vermerk.





Der Kerzenständer ohne Kerzen

Vier Arme
und in der Mitte einer

Glas, geschliffen
recht elegant
mit einem fein herausgearbeiteten Fuß

Jeder Halter ist eine kleine Vase aus Glas,
darin müssten die Kerzen hinein,
fünf Stück
maximal

Doch es befinden sich
keine Kerzen auf dem Ständer.

Die Vasen enthalten alten Restwachs,
rosa und roter Wachs,
komischerweise nicht vermischt.

Schaut man genauer,
so sieht man noch weißen Wachs.

Abgebrannt, restlos,
bis auf das wenige Wachs
keine Spuren
keine Rückstände

Der Kerzenständer hat
ganze Arbeit geleistet.

Doch jetzt ist er arbeitslos,
nichts zu tun,
keine Kerzen,
kein brennender Docht,
alles verbrannt bis auf die Grundmauern,
die nun auch nicht mehr stehen.

Trauriges Schicksal,
so ohne Feuer

Vier Arme ohne Flammen
In der Mitte kein Licht
Trostloser Anblick





Der Zug der Marktfrauen nach Versailles
(japanisches Tanka-Gedicht)

Viele Poissarden
holen Ludwig nach Paris
hinein ins Chaos.

Ein Frauenmarsch nach Versailles,
weltgeschichtlich bedeutsam.





Nachwuchshoffnungen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Klein übt sich schon mal.
Das Wölfchen auf den Spuren
der Erwachsenen.

Schon bald wird keiner mehr auf
ihn so hernieder schauen.





Der Grießbrei

Der Grießbrei
ist beim Essen dabei.
Er den Magen füllt,
der Gourmet knüllt,
sein Menü entzwei.





Ein Chief Inspector im Dauerstress

Der Chief Inspector hat es nicht leicht,
kaum dass er einen Kriminellen einstreicht,
da steht schon eine neue Bande vor seiner Tür,
jene geht vor mit kriminellem Gespür,
dass sogar der Chef im Gesicht erbleicht.





Das ersehnte Sabbatjahr

Geschuftet,
wie ein Tier.
Jahrzehnte lang

Nun, soll es kommen:
Die Luftveränderung.
Das Sabbatical

Sonderurlaubsantrag
Einbußen am Gehalt
Doch man gewinnt:
Ganz woanders.

Zeit gegen Geld
Freiheit gegen Gehalt
Eintausch an Gütern

Ein hoher Gewinn winkt!
Aber kein finanzieller.
Immaterieller Ausgleich

Teurer Perspektivwechsel
Investition in sich selbst
Ein Jahr den Zins der Ruhe





Der Vertrag des Komikers

Der Vertrag wurde nicht verlängert,
darüber hatte er sich sehr geärgert.
Dann begann er viel zu trinken,
weitere Aufträge konnte er sich abschminken,
dabei war er mit dem Chef verschwägert!





Springe über den Bock

Springe über den Bock
aus der Hock.
Das trainiert die Sprungkraft
richtig meisterhaft.
Nun spring über den Stock!





Zwei Teile einer Abmachung
(japanisches Tanka-Gedicht)

Eine Abmachung
bestehend aus zwei Teilen
band die Parteien.

Klug abgewogen, jedem
äußerst entgegengekommend.





Die weißen Gesichter der Lebenden
(japanisches Tanka-Gedicht)

Totenkopf, der lebt.
Weiß umrandet Aug und Mund.
Eine Vorahnung.

Sind sie sich ihres Todes
etwa permanent bewusst?





Der Moosstein

Es ist ein weißer Stein,
kein Kiesel,
eigentlich schön anzuschauen,
doch der Überzug ist Moos.

Grün, flauschig, zugewachsen,
von der Oberfläche her gesehen,
sieht man fast nichts.

Alles verwachsen und verwoben,
eine neue Struktur
organisch grün,
die alte fest und unzerstörbar,
doch kann sie
gegen die neue Invasorin
nichts machen.

Sie lässt es sich gefallen.
Was sonst?
Machtlos im Moment,
hilflos in der Zeit,
doch sie weiß eins:
Der Gang der Dinge
spielt ihr in die Hände.

Sie muss nur warten,
warten auf den Winter,
abwarten,
dass jemand sie in den Bach wirft.

Das Wasser wird sie reinwaschen,
das Moos verschwinden.

Wandel der Zeit
Die Oberfläche kommt
immer zum Vorschein.





Eine Sache, die verstanden werden muss

Viele komplizierte Sachen
sollte man nicht sofort machen,
sondern erst gründlich überlegen,
sonst liegt man schnell daneben
und erlebt ein böses Erwachen!





Ein schmerzhafter, aber kurzer Abgang

Mancher macht sich viele Gedanken über den Tod,
doch bei ihm war da gar keine Not:
An der Tankstelle wurde er niedergestochen,
mehrere Stiche, tranchiert bis auf die Knochen.
Eine blutige Tragödie, die nur wenigen droht.





Der Tora-Funkspruch

Dreimal Tora lautet die Parole.
Unter ihnen eine Stadt in Kohle.
Der Angriff ist in vollem Gange.
Vor den Japanern ist jedem bange!
Die Piloten schauen auf ihre Flugzeugkonsole.





Ausgeschiedenes im Kanal

Der Abfall
Der Dreck
Das Ausgeschiedene

Das alles im Kanal vereint,
das, was keiner sehen will,
und noch viel weniger riechen will.

Der flüssige Müll
Unzumutbarer Dreck
Tagtäglich neu konfrontiert

Der Geruch unerträglich:
Würgereiz
unterdrücken,
konzentrieren,
ignorieren.

Arbeitsumstände, die keiner will,
kaum einer erträgt.

Ablagerungen,
Ansammlungen,
ausmachen und auflösen.

Drecksarbeit,
so wahr!

Die unterirdische Stadt
Die Kanalisation
Verborgene Gänge
Versteckte Leitern
Verdeckte Eingänge
Verstopfte Kanäle

Ein Wassersystem unter der Stadt,
eine Wasserstadt
mit nur wenigen Einwohnern:
den Kanalreinigern.





Die Industrie 5.0

Die Industrie 5.0 ist im Kommen
und die fürchten selbst die Frommen.
Welche Neuerungen werden es diesmal sein?
Viele sind am Ende mit ihrem Latein.
Man sieht schon die Roboter-Kolonnen.





Verwirrte Gedankenverirrungen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Wenn nicht ein klarer
Gedanke mehr gefasst wird,
dann wird Denken zum

existentiellen Problem:
Irrtum in sich selbst liegend…





Der massige Kehlkopf
(japanisches Tanka-Gedicht)

Aufgeblasener
Kehlkopf, der ihm massive
Erscheinung sichert.

Bei manchen ist der Schein weit
größer als wirkliches Sein.





Der Beschützer im Hintergrund

Er ist der Beschützer ganz geheim,
richtig unbekannt möchte er sein.
Sein Schutz, der läuft im Hintergrund
und da läuft es so richtig rund,
fernab vom hellen Sonnenschein.





Wirklich eine schöne Steigerung?

Examen
Promotion
Habilitation
Professorenstelle

So hatte er es gedacht.
Eine schöne Steigerung,
ein netter akademischer Weg.

Doch die Habilitation,
sie verzögert sich,
gerät gar in Gefahr.

Eine Blockade
im Prozess des Denkens,
kein neuer Einfall,
keine neue Theorie,
nichts Bahnbrechendes,
nichts wahrhaft, wirklich Neues.

Richtige Maßstäbe wurden nicht gesetzt.
Sie plätschert vor sich hin,
dieses akademische Œuvre
im seichten universitären Fahrwasser.

Keine Schreibkatastrophe,
aber auch kein akademischer Hochgenuss.

Geistige Höchstleistungen ausgeblieben,
trotzdem
fertig schreiben.
Schlussstrich ziehen!





Schluss

© 2021 Michael Stern https://www.lyrissima.de