GedichteJahr 2009

Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 03 Quartal 2009




Der Rucksack auf der Alm

Die Alm
recht schön gelegen,
hoch in den schroffen Bergen.

Dort residiert sie,
einsam wachend über das Tal.

Neben einem Holzscheit
ein brauner Rucksack.

Allein,
verlassen.
Zurückgelassen?

Von einem Wanderer?
Von einem Bewohner?
Von wem?

Kein billiger Rucksack,
guter Stoff,
qualitative Nähte
und prall gefüllt.

So viel steht fest
nach Augenschein.

Zwei Gurte warten auf Schultern,
auf einen Träger nur.
Doch kommen mag er nimmer,
vom Tragen keine Spur.

Und so liegt einsam dösend,
der Rucksack auf der Alm,
wartend auf einen Finder,
ein neuer Besitzer bald.

Da kommt ein Kind um die Ecke,
sieht den Rucksack da,
begreift ganz schnell die Lage
und schultert ihn sodann.





Der Tropfen der Duftseele

Kopfnote und Herznote
Parfüm getröpfelt auf das weiße Tuch
Schneller Armruck

Das Tuch fliegt durch die Lüfte,
Duft verteilt.
Einatmen mit der Nase

Welche Zusammensetzung?
Welche Flüssigkeit?

Wie soll ich
die Kopf- und Herznote
herausfinden?

Je länger exerziert,
umso weniger
ist die Nase
für Gerüche
empfänglich.

Im Grunde auch egal,
welcher Stoff.

Essence absolue
Sie müsste hergestellt werden,
aus Rosen.

Goldener Alambik
Der Diener wirft sie hinein,
gekochte Rosen.

Der eine Tropfen,
die olfaktorische Rosenseele:
Essence
absolue





Schreie in Ultraschall

Fliegt sie durch die Dunkelheit,
die Fledermaus sehr laut schreit.
Sie verfügt über ein gutes Radar,
und sieht damit immer klar.
Sie fliegt durch Felsspalten nur flügelbreit.





Der Kindkaiser

Erklimmt den Thron in jungen Jahren
und ist so gänzlich unerfahren.
Es ist das Kind mit der Krone,
für Feinde nicht mal ein Sturz sich lohne.
Die Römer laufen davon in Scharen.





Der Eifer des Grundbuchamtsmitarbeiters

Ein Regal als Spezialanfertigung,
es fasst dünne Aktenordner,
eigentlich nur Pappmappen,
aufgehängt an einer Stahlschnur
in Reih und Glied.

Die Mappen sind rot
für diesen einen Ort.
Andere grün,
für einen weiteren Ort.

Sie tragen fortlaufend Nummern,
nur daran sind sie identifizierbar.

Der Mitarbeiter des
Grundbuchamtes schläft.
Er ist tief über den
Schreibtisch gebeugt.

Zu seiner Rechten
eine Schale mit Gummibärchen.
Die Mappen verstauben,
eine Wanduhr tickt vor dem Regal.

Eine der roten Mappen,
sie ist aufgeschlagen auf dem Schreibtisch:
Vormerkung für Herrn und Frau soundso.

Leicht dehnt sich die Schnur,
die Mappen bewegen sich kaum merklich.





Der geschlossene Vertrag

Verträge sind einzuhalten,
der Notar wird ihn verwalten.
Zwei Willenserklärungen, die einander entsprechen,
und die Vertragsform auch nicht brechen,
so kann man einen Vertrag gestalten.





Du solltest Dir Tee bräuen

Du solltest Dir Tee bräuen
und die Mühe nicht scheuen.
Es ist ein gutes Getränk,
ein gesundes Geschenk.
Du wirst Dich erfreuen.





Die Witterung, die es nicht geben dürfte
(japanisches Tanka-Gedicht)

Riechen im Wasser.
Der Hai bemerkt das Blut schnell,
denn ein Tropfen reicht.

Die kleinsten Moleküle
rufen ihn schon auf den Plan.





Bolg, das Kind des Monsters

In Erebor führt er das Heer an
und schleift die Orks so hart er kann.
Aus dem Nebelgebirge stammt er her,
als einer der Häuptlinge will er mehr.
Doch Legolas stoppt ihn dann.





Die Pastete

Für die legendäre Fete,
wird gebacken die Pastete.
Alle finden sie genial,
und zwar der ganze Saal.
Nur einer schmeckt’s nicht, es ist Käthe.





Der Bader – Der Arzt der kleinen Leute

Im Mittelalter weit verbreitet,
von der Obrigkeit geschätzt,
vom Reichstag zum ehrenhaften Beruf erklärt,
der Betreiber eines Badehauses, Bader meist benannt.

Später das Geschäft erweitert,
Heilbehandlung auch ein Ziel,
ein Aderlass zur Krankenkur,
auch Schröpfen dient der Heilung nur.

Blutegel waren oft vonnöten,
schlechte Säfte mussten weg,
zudem die Zähne noch gezogen,
durch des Baders Heilkunst,
Gefahr fürs Leben oft gebannt,

Eine ärztliche Tätigkeit,
vom Gesellen zum Meister,
Jahre auf Wanderschaft,
der Bader, der Heiler,
für der Armen in Stadt und Land.





Der umgekippte Regenschirmständer

Der umgekippte Regenschirmständer
verfügt über schöne Messingränder.
Einer stieg die Treppe herunter zu schnell,
der Ständer war an der falschen Stell.
Er stand zu nahe am Treppengeländer.





Der Zauberer Robert Angier

Danton, der Große oder Angier, der Zauberer,
er kreiert Illusionen, wird dann zum Zauderer.
Im Wasserbehälter ertrinkt seine Frau,
für ihn ist es der Super-Gau.
Borden kämpft schmutzig, doch er nicht sauberer.





Die liebliche Erweckung ihrer Stimme
(japanisches Tanka-Gedicht)

Nachts ertönt Gesang.
Sie ist zum Leben erweckt.
So lieblich leise.

Sie singt mit einer Stimme,
dessen Ton so wahr erklingt.





Von Nichtsnutzerben

Was haben sie im Leben schon Großes erreicht?
Hineingeboren in eine reiche Familie, das hat gereicht!
Sie erben, mehr haben sie nicht zu tun
und leben fröhlich vom Konsum,
für manche ist das Leben eben leicht!





Morgens im Wald

Die Nacht vergeht,
es dämmert schon,
die Wiese hell,
dahinter dunkel
steht der Wald.

Nebelschwaden auf der Wiese,
Morgentau glitzert im ersten Licht.

Spinngewebe
in den Zweigen glänzend silber,
von nah gesehen
ein Kunstwerk zart und fein.

Das Leben erwacht,
Gezwitscher im Geäst,
der Tag beginnt.





Der digitale Wicht

Wer Herr der Ringe mag als Buch,
der kriegt auch vom Computerspiel nicht genug.
Mit Frodo und Gefährten besteht man Abenteuer
und wärmt sich dann am Lagerfeuer.
Besiegt ist der Hexenkönig von Angmar und sein Fluch!





Besinnliche Vorbereitungen

In der Adventszeit da vorweihnachtet es sehr,
und das immer und immer mehr.
So langsam holt man die Dekorationen heraus,
schmückt festlich das ganze Haus.
So langsam mach ich vor Weihnachten Kehr.





Lage nach dem Landtag

Nach Ende des Landtages,
die Stammesführer zurück,
über das weitere Schicksal zu entscheiden,
geheim, nicht öffentlich.

Eindringlich um Geheimhaltung bemüht,
Folterung droht bei Enthüllung.
So kann man Geheimnisse bewahren,
wenn furchtbarste Strafen im Hintergrund stehen.

In Gallien, da gibt es zwei Parteien,
und erbitterte Streitereien.
Seit vielen Jahren geht der Kampf
um Vorherrschaft und Macht.
Häduer gegen Arvernern

Unkultiviert und wild,
den Reichtum Galliens verspielend.
Adel und Volksrat vernichtet,
viele Reiter in den Kämpfen gefallen,
ganze Stämme gebrochen.

Die Edelsten des Stammes als Geiseln,
wie soll Frieden einkehren?
Unmögliches Unterfangen





Nachdenken über das unwiderstehliche Angebot
(japanisches Tanka-Gedicht)

Eine Geldgabe
verheißt großes Glück. Da sagt
die Firma nicht nein.

Das Angebot einfach nur
eine pure Verlockung.





Er duldet keinen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Chef auf der Koppel.
Sein Stolz treibt ihn dazu an.
Ungestümsein siegt.

Neben ihm darf es keinen
Hengst-Konkurrenten geben.





Das Elektrokabel

Das lange, schwarze Elektrokabel,
durchbiss die Ente mit dem Schnabel.
Ein Ersatzkabel war nicht aufzutreiben,
drum musste der Fernseher weiter schweigen.
Das Tier sah aus, wie aus einer Fabel.





Dehne Deinen Rücken

Dehne Deinen Rücken,
sonst kannst Du Dich nicht bücken.
Deine Rückenschmerzen
musst Du ausmerzen.
Du solltest Dich nicht davor drücken.





Eine Bühnenfesselung

Der Zauberer auf der Bühne
spielt so richtig kühne,
fesselt seine Assistentin
bis hinauf unters Kinn.
Sie erstickt; er tut Buße und Sühne.





Die interessante Stellenausschreibung

Der Blick wurde eingefangen,
als ich den Zettel sah.
Eine Ausschreibung,
interessant ganz und gar.

Der Job war wie geschaffen für mich
und so bewarb ich mich.
Doch das Gespräch war
irgendwie merkwürdig.
Irgendetwas stimmte nicht.

Ich wusste nicht was
und so war mir klar,
ich gehe schnell hier raus.

Ich nahm die Beine in die Hand
und schon wurde tüchtig gerannt.
Ganz und gar außer Atem
konnte ich über meine Beweggründe nur raten!





Die lange Fahrt mit der weißen Limousine

Er ist in seiner weißen Limousine,
unterwegs in einer wirklich langen Maschine.
Sein Fahrer fährt ihn durch die Gegend,
für ihn ist das sehr bewegend.
Sein Luxus-Ausflug sorgt für Endorphine.





Der sich lösende Dachnagel

Der sich lösende Dachnagel
fällt der Ente auf den Schnabel.
Um das Haus macht sie einen Bogen,
hält die Bewohner für ungezogen,
prompt stolpert sie über ein Kabel.





Das Medikament

Dieses neue hoch gepriesene Medikament,
man kaum seine Wirkung kennt.
Da lässt es sich nur schwer abschätzen,
wird es auch den gesunden Teil des Körpers verletzen?
Nur, der Preis nach oben rennt.





Der grüne Tischtennistisch

Hochgeklappt
zwei grüne Flügel

parallel
beide gleich hoch

tiefgrüne Fläche
fast quadratisch

runtergeklappt
andere Sichtweise

Wenn man nur eine Seite nimmt,
spielt man gegen sich selbst.
Der Ball kommt schnell zurück,
Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel,
einfaches Spiel,
fast langweilig.

Doch klappt man beide Flügel aus,
dann öffnet sich die grüne Fläche,
fast wie ein Rasen
liegt er vor einem.

Getrennt durch einen niedrigen Zaun,
weiß mit engen Maschen,
fängt manchen Ball ab
und sorgt für skurrile Züge.

Doch erst der Rand macht interessant
ein knappes, gutes Spiel.
Landet der Ball erst auf der Kante,
kriegt den niemand mehr nie.

Eine Rasenfläche mit Kante,
ein Tisch mit zwei Flügeln





Die Flucht nach Varennes
(japanisches Tanka-Gedicht)

„Weg von dem Pöbel,
raus aus den Ländereien
in Richtung Belgien!“

Ein König stiehlt sich davon,
im letzten Moment erkannt.





Der Waschbär auf dem Dachboden
(japanisches Tanka-Gedicht)

Es rappelt oben.
Häuslich richtet er sich ein.
Nachts schläft er niemals.

Heimische Zerstörungswut
Was wird nicht kaputtgehen?





Die Haferflocken

Die Haferflocken halten lange vor,
sie enthalten Vitamine, Zink und Phosphor.
Aus dem Vollkorn werden sie erstellt,
niemand wird so um Ballaststoffe geprellt.
Wer sie mit Zucker isst, schießt ein Eigentor.





Der miese Graf von Anjou

Der Graf von Anjou
ist ein böser Filou.
Er kennt seine vornehme Herkunft
und genießt die angesehene Ritterzunft
für so manchen wahrhaft miesen Coup.





Die Mutter aller Abstimmungen

Ja oder Nein?
Schwarz oder weiß?
Entweder Oder?
Dafür oder Dagegen?

Eine Mitte,
scheint es nicht mehr,
zu geben.

Entscheidung
Abstimmung
Die erste von vielen,
die Wichtigste von allen.
Der Urstoff des Streiks
Die Urabstimmung

Stunde des Farbebekennens
Zeit sich einem Lager anzuschließen
Fraktionen gegeneinander
Stimmzettel auf einen Haufen





Experimente bei Nacht und Nebel

Im Dunkeln kann man gut experimentieren,
man darf nur nicht das Nachtsichtgerät verlieren.
Da ist man so gut wie ungestört,
von der späten Stunde ganz betört,
nun kann man das Experiment probieren.





Abwerfen beim Völkerball

Abwerfen beim Völkerball
endet mit einem Team-Zerfall.
Jeder spielt nun gegen jeden,
alle werden sich aufregen.
Man hört nur noch einen Wortschwall.





Eingebildete Liebe
(japanisches Tanka-Gedicht)

Liebeschimären
schwirrten ihm durch seinen Kopf.
Doch nur Einbildung!

Die Realitätslandung
glich einem schweren Absturz.





Die gestrandete Zuversicht
(japanisches Tanka-Gedicht)

So einsam am Strand.
Gänzlich ohne seinesgleichen.
Kälte nimmt Überhand.

Die Robbe spielt das Strandgut
mit äußerst wenig Hoffnung…





Die blaue Fleecedecke

Stoff so flauschig wie Wolle,
so warm wie eine Heizung,
anschmiegsam, schön anzufassen.

Wohlfühlen unter der Decke,
wie eine blaue Himmelsdecke,
ein warmes, blaues Meer.

Geborgenheit
Ein eigenes Reich
Abtauchen
Entspannung

Bedeckt mit Fleece,
das kostbar blaue Wams,
eine Einheit
gewoben mit Bedacht.

Die erste Wahl unter allen Decken,
so geborgen im blauen Reich,
so angekommen im blauen Himmel,
so wohl gefühlt im warmen Meer.

Die Sonne scheint herab,
das Gelb mischt sich im Blau,
auf der Decke, im Himmel und im Meer.





Inspirierende Persönlichkeiten

Einige Persönlichkeiten sind richtig interessant
und so gar nicht irrelevant.
Sie strahlen etwas aus,
gehen über sich hinaus
und wirken nie süffisant.





Die unbestechliche Kollegin

Bianca ist unbestechlich,
doch leider auch sehr gebrechlich.
Die korrupten Kollegen schießen sie nieder,
doch mit ihrer kugelsicheren Weste kehrt sie wieder.
Für sie ist die Sache nur nebensächlich.





Das Verschwinden der Henriette

Henriette hat ein furchtbares Schicksal:
Ihr Vater Gottfried ist asozial.
Er hat seine Tochter missbraucht.
Dafür hat sie in ins Wasser eingetaucht.
Unter anderem Namen lebt sie phänomenal.





Perfektionist im Supermarkt

Mit Argusaugen wachend,
alles im Blick
vor allem die Mitarbeiter.

Nichts sich selbst überlassen!
Der Supermarkt sein zweites Zuhause
oder eher sein einziges Zuhause.

Der Filialleiter ist ein Perfektionist,
manche Angestellten sind ihm ein Dorn im Auge:
Faul,
unzuverlässig
und da sind da noch diese Diebstähle.

Massenhaft
Der Hausdetektiv ratlos
Der Dieb wusste genau zuzuschlagen,
interne Abläufe bekannt.

Es konnte nur ein Angestellter sein.
Misstrauen
auf beiden Seiten.

Er kennt jede Ware,
jeden Preis,
jede Stelle
und jedes Angebot.

Die Preise wägt er ab.
Gewinn um jeden Preis
Das Leiten nicht einfach
in dieser großen Halle.





Der neue Streitkolben

Der Streitkolben ist eine neue Erfindung,
speziell gehärtet mit einer guten Windung.
Das Metall ist eine neue Legierung,
zudem gibt es eine schöne Verzierung.
Ihn zu führen kostet Überwindung.





Wenn Personen wieder ein Gesicht bekommen
(japanisches Tanka-Gedicht)

Schon lange Zeit nicht
mehr gesehen und gehört:
Wiedersehensfreud!

Eine leere Visage
wird mit Vertrautem gefüllt.





Die Grundlagen des Lernens
(japanisches Tanka-Gedicht)

Aufmerksam sieht er.
Sein Herrchen immer im Blick.
Gelehrig lernt er.

Er hört auf jeden Befehl,
auch unausgesprochene.





Das stechend-beißende Chlor

Chlor
liegt in der Luft,
den ganzen Tag
in der Nase,
dieser beißend-ätzende Duft.

Das Wasser überchlort,
viel zu viel,
viel zu stark.
Wer soll das aushalten?

Schwimmer ohne Brille,
mit roten Augen sie enden.
Das Chlor und die Netzhaut,
keine gute Verbindung,
unheilvolles Zusammenspiel.

Den Bademeister ärgert’s.
Schon oft beklagt,
sture Betreiber.

Angebliche Hygienevorschriften!
Willkommene Ausrede fürs Chloren,
verstecken sich dahinter.

In zwei Stunden Schließung,
er starrt auf die Wasseroberfläche.

Zwei Ältere ziehen ihre Bahnen,
ansonsten gähnende Leere.

Der Chlordampf macht ihn müde,
Augen klappen fast zu.
Das Atmen stört,
jeder Atemzug eine kleine Überwindung.

Olfaktorische Chlor-Qual
Endlich schließen,
bitte!





Schluss

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