Gedichte – Limericks – Japanische Tanka-Gedichte – Schaffensperiode 04 Quartal 2009
Ein und derselbe Weg
Langgegangen?
Durchschritten?
Oder neuer Weg?
In diesen Gefilden
alles sich sehr gleicht.
Ein Labyrinth aus Wegen,
allesamt so ähnlich.
Ein Wirrwarr,
ein Durcheinander,
der Wanderer verunsichert.
Wohin?
Am Scheideweg
links oder rechts?
Oder lieber zurück?
Zur Sicherheit.
Nein,
voran,
weiter nach vorn.
Der linke Weg
wirkt so bekannt,
als hätte er ihn schon
so oft genommen.
Rechts der neue Pfad,
den schlägt er ein.
Wälder und Lichtungen,
sie wechseln sich ab
auf unbekannte Weise
und doch wird er das Gefühl nicht los,
dass all dies altbekannt.
Weiter, weiter dem Weg entlang,
ein und derselbe ist’s.
In vielen Gestalten erschienen,
so viele Äußerlichkeiten
und doch der gleiche Wald.
Der eine Weg
Musikstücke am Straßenrand
Ausgekühlt und ausgemergelt
steht er am Straßenrand,
den Elementen ausgesetzt,
die Gitarre in der Hand.
Die Klänge gehen
im Wind fast unter,
keiner hört zu.
Auf dem Boden eine Schale,
einige Centstücke darin,
Eurostücke kaum,
Scheine keine.
Der Lohn ist karg,
die Lage arg.
Gestern hatte er alles gegeben,
sich verausgabt,
heute müde und unkonzentriert.
Noch weniger Geld als sonst,
er musiziert weiter.
Musikalischer Widerstand
Sinnlos
Es wird kälter,
er wird ärmer,
ärmer an Geld, Kraft, Wille.
Die Gitarre wird immer leiser,
wäre er doch nur
Musiklehrer geworden!
Musiker auf der Straße
Die Schale leert sich.
Mit der Herde unter Tage
Den Kopf erhebt das Erdmännchen,
und trinkt dann aus dem Wasserkännchen.
Es gräbt so gerne Löcher in die Erde
und lebt darin mit seiner Herde.
Hin und wieder frisst es ein Pflänzchen.
Unter Wölfen
Erzogen von einem Wolf,
heißen sie nicht Hans und Rolf,
sondern Romulus und Remus,
die Gesellschaft von Wölfen für sie ein Genuss.
Die ersten aufrechten Schritte unbeholf.
Der Turm des Aktenstapels
Ein kleinerer, brauner Tisch,
ein Stapel grüner Akten,
sie türmen sich,
mehr und mehr werden sie.
Abarbeiten
Fast alles Anfechtungsklagen
Behördenhandeln wird überprüft.
Der Bürger moniert,
mal zurecht, mal zu Unrecht.
Grundrechte:
Auf die berufen sie sich alle.
Viele Umweltrechtssachen,
immer etwas Neues.
Neue Fälle,
neue Sachverhalte,
neue Richtlinien aus Brüssel,
neue Gesetze.
Der Verwaltungsrichter kann
da kaum noch folgen.
Ein Haufen Papier,
bitte lesen und verstehen,
nachvollziehen und einordnen,
viele Zeilen für wenig Zeit.
Der grüne Stapel an Akten
scheint weiter angewachsen zu sein,
immer wieder um eine neue grüne Akte.
Er wächst und wächst,
auf dem Schreibtisch des Verwaltungsrichters,
irgendwann fällt er um.
Das Urzeit-Ungetüm erwacht
Aus seinem Schlaf erwacht der Drache,
nun dürstet‘s ihm sogleich nach Rache.
Jemand hat ihm sein Gold gestohlen,
und das auf kleinen, leisen Sohlen.
Was für eine böse Sache!
Heize den Ofen vor
Heize den Ofen vor,
es dampft das Rohr.
Mir war kalt,
doch schon bald,
ich nicht mehr fror.
Der Hammerhai im Rudel
(japanisches Tanka-Gedicht)
Hammer als Schnauze
Ein Charakteristikum.
Es sticht klar heraus.
Sonderbare Form eines
gefährlichen Raubtieres.
Einsetzende Drachenkrankheit
Nachdem Smaug gesegnet die Zeit,
Thorin befällt die Drachenkrankheit.
Er steigert sich in seinem Goldwahn hinein,
selbst seine Gefährten sind für ihn Pein.
Am Ende er sich von ihr knapp befreit.
Die Käseplatte
Auf der Platte gibt es viel Käse,
das sorgt bei manchen für Malaise.
Käsehasser werden leiden,
und die Platte gänzlich meiden.
Vor allem ohne Käsefräse.
Die Tiefen der Heraldik
Wappenwesen, die Kunde, das Recht,
Rahmen zur Gestaltung,
ein weitgespanntes Feld.
Die Kunst der Formen,
sinnbildliche Aussagekraft,
bemalt mit den richtigen Farben,
oft auch Symbole der Macht.
Nachempfunden den Schilden,
für Kampf und für Turnier,
künstlerische Vielfalt bei Formen,
auch Helme als Verzier.
Welche Bedeutung, welcher Sinn,
bei Ländern, Städte, Gemeinden,
auch Familien sind dabei.
Auskunft über Herkunft, Überlieferungen,
Begebenheiten und Ereignisse,
auch berufliches dabei.
Die zerlöcherte Tischplatte
Die Tischplatte ist zerlöchert,
in der Küche der Topf vor sich hin köchert.
Der Dampf steigt leise auf,
das nervt zuhauf.
Vielleicht ist man auch nur verknöchert.
Wie viele Höllenpforten gibt es?
Mal sind es sieben und mal neun Pforten
und Höllenkreise aller Sorten.
Viele Spirituelle jagen dem Mysterium hinterher,
doch auch Philosophen wollen mehr.
Sie alle entdecken die Gefährlichkeit von Worten.
Die todbringende Kollision
(japanisches Tanka-Gedicht)
Vogelfeder klebt,
am Fenster haftet sie da.
Eine Kollision.
Das durchsichtige Glas stellt
eine Todesfalle dar.
Eine Besenkammer zum Denken
Möchte man seinen Geist nicht ablenken,
braucht man eine Kammer zum Nachdenken.
Nur da kann man sich konzentrieren
und so richtig gut funktionieren,
ohne dass man muss Zeit verschenken.
Nachts im Wald
Der Wald ragt
dunkel in die Nacht,
in den Wipfeln
glänzt der volle Mond.
Sein fahles Licht
glänzt silbrig hell,
erhöht den dunklen Kontrast.
Büsche, Stämme,
Zweige und Geäst
verschwimmen im Dunkel.
Sie formen Konturen,
Figuren, Phantasien werden erweckt.
Die Stille ist dröhnend,
unheimlich,
doch gibt auch Sicherheit.
Ein Rascheln,
ein unbekannter Laut,
Erschrecken,
Stille erneut.
Die natürliche Dunkelheit
für viele heute unbekannt,
führt zu Unsicherheit
und Angstphantasien.
Abenteuer in Vice City
Vice City heißt die Stadt mit Namen,
doch Miami gibt dem Ganzen den Rahmen.
Auf viele Filme wird angespielt,
bei Verfolgungsjagden man im Rückspiegel schielt.
Die Gegner kennen hier kein Erbarmen.
Alljährlich wiederkehrende Figuren
Die Weihnachtskrippe mit dem hölzernen Dach,
das Moos hält Kälte und Regen in Schach.
Maria und Josef hüten ihr Kind,
die drei Könige kommen mit Gaben geschwind.
Im neuen Jahr kommen alle Figuren zurück ins Pappfach.
Bitten in Tränen
Sie sprach weise,
allen aus der Seele,
eine gut formulierte Bitte.
Hilfe und Unterstützung dringend!
Alle Anwesenden, in Tränen aufgelöst.
Sie blickten traurig,
gesenkt das Haupt,
der Blick zum Boden.
Manche Augen geschlossen
Er war verwundert sehr,
was ist der Grund, wo liegt das Begehr?
Da blieb sie stumm und still,
auch nach mehrfachem Nachhaken,
keine Antwort sie geben will.
Doch dann sprang er schließlich ein,
noch härter und grauenvoller, so ganz allein.
„Das Schicksal führte uns zusammen,
doch diese Sache war zu verdammen…“
Die Stimme des Pleitegeiers
(japanisches Tanka-Gedicht)
Fehlende Mittel
bewirken schlechte Stimmung.
Die Firma ächzt und stöhnt laut.
Die Pleite nur noch eine
Frage von Monat und Tag.
Der stille Stall
(japanisches Tanka-Gedicht)
Im Stall steht allein,
die Stute ganz verlassen.
Das Heu am Boden.
Aufgekehrt hat noch niemand.
Den Mist lässt man nun liegen?
Der Elektromotor im Kommen
Der Verbrennungsmotor wird vielleicht bald verboten,
der Elektromotor gehört zu den Zukunftsboten.
Die Bevölkerung stellt sich darauf ein
und möchte im selbstfahrenden Auto sein.
Nur der Hund hat es gut, der nimmt seine Pfoten.
Trainiere deine Muskeln mehr
Trainiere deine Muskeln mehr,
dann setzt Du Dich besser zur Wehr.
Lass aus keine Muskelgruppen,
dann wirst Du Dich zum Kraftprotz entpuppen.
Nimm Gewichte viele und schwer.
Tödliche Seemannsknoten
Kann ein Matrose keine Knoten,
ist ihm der Zutritt zum Schiff verboten!
Sein tägliches Handwerkszeug sind die Seile.
Wenn sie segeln umher, Meile für Meile,
bedarf es an Bord keiner Idioten!
Wie eine Drohung im Raum steht
Sie steht im Raum,
diese Drohung.
Unausgesprochen,
aber bedrohlich,
wie sonst kaum etwas.
Es reichen kleine Gesten,
ein Wort,
ein Zeichen,
die Mimik.
Und schon ist klar,
was erwartet wird.
Der Chef hat gesprochen.
Sein Wort reicht,
seine Entscheidung steht,
sein Wille geschieht,
der Arbeitnehmer folgt,
egal was oder wie oder wohin!
Diese Drohung reicht…
Der Untergang der Samurai-Kämpfer?
Ein Unterhändler wird nach Nord-Japan geschickt,
denn die Lage dort ist sehr verzwickt.
Die Samurai geben nicht auf,
akzeptieren nicht den Zeiten Lauf.
Sie sind sehr speziell gestrickt.
Die angehobenen Gehplatten
Die Gehplatten sind angehoben,
und so richtig verschoben.
Grund ist der nahe Baum,
mit seinem gigantischen Wurzelraum.
Dieser unterirdische Kloben.
Das hohe Fieber
Mit 40 ein sehr hohes Fieber.
Es erhitzt alle Glieder.
Das Blut innerlich kocht,
das Herz nur müde pocht.
Das Fieber es kommt wieder.
Die silberne Lebkuchendose
Silbern glänzend,
rundum besetzt
mit Glockenspielfiguren.
Sie tragen teuerste Gewänder,
wenn sie aus dem Turme fahren.
Der Herold spricht,
der Ritter kämpft,
die holde Magd, sie singt,
wenn der Glockenturm erklingt,
der Hofnarr aus seinem Loche springt.
Gotische Säulen,
zierlichste Ornamente
und farbenvolle Pracht,
der Bischof trägt die Tracht
und gibt mit seinem goldenen Stabe
den Takt an.
Die Dose, die ist voller Leben
und Leben umgibt den Turm,
man wartet bis zur nächsten Stunde
und dann beginnt‘s von vorn.
Im Inneren, da warten sie,
die feinsten Lebkuchen
mit weißer Oblate,
der Teig zergeht auf der Zunge.
Pistazienkerne garnierend
Ein Genuss
Da schlägt der Turm zwölf!
Der Rechtsanwalt Robespierre
(japanisches Tanka-Gedicht)
Heraufbeschworen
und nun selbst davon erfasst:
Es endet hässlich.
Ein Anwalt entfesselt den
blanken Wahnsinn, Tötungssturm.
Die Schnelligkeit aus der Trägheit
(japanisches Tanka-Gedicht)
Der Wind ist langsam.
Das Wasser fließt gemächlich.
Der Gepard fängt an.
Aus einer Starre heraus
kommt er schnell angeflogen!
Der Lebertran
Schon Wikinger tranken Lebertran,
bevor sie bestiegen ihren Kahn.
Und auch heute,
trinken Leute,
diesen flüssigen Fisch-Wahn.
Die holde Maid beim Ritter-Turnier
Beim Ritter-Turnier wartet die holde Maid
auf des Ritters grenzenlosen Schneid.
Die Tjosten ist ihre Lieblingsdisziplin,
da trägt sie ihren Schal aus Hermelin
und kämpft gegen weiblichen Neid.
Der Vertrag, der knebelt und erstickt
Ausgebeuteter Autor
Lebende Schreibmaschine
Seitenproduzierer
Fließbandschreiber
Geknebelt vom Verlag,
durch den Knebelvertrag.
Kreativität erstickt
Schreibblockade
Keine Buchstaben
Keine Wörter
Blätter bleiben weiß
Die letzte Seite
Umgeblättert
Ideen verkümmern
Plots brechen ein
Wer ist unter Zwang kreativ?
Wer schreibt schon mit
der Pistole auf der Brust?
Drahtloser Strom
Der Strom braucht nicht zwingend einen Kanal,
das klingt zunächst alles andere als banal,
doch kann der Strom alles durchfließen,
man braucht auch keinen Leiter anschließen
und nichts davon ist für Lebewesen letal.
Lauft 800 Meter
Lauft 800 Meter,
stoppt das Gezeter.
Das wird man wohl noch verlangen dürfen.
Am liebsten würdet Ihr alle schlürfen.
Fangt jetzt besser an, als später.
Liegt Geld auf der Straße?
(japanisches Tanka-Gedicht)
Blinkend entgegen
kommt es uns auf der Straße,
nicht zu verfehlen.
So einfache Geldschöpfung
gelingt wahrlich nicht jedem.
Der urtümliche Quastenflosser
(japanisches Tanka-Gedicht)
Jahrmillionen alt
Nie musste er sich anpassen.
Das Wasser als Schutz.
Er ignoriert erfolgreich
jegliche Evolution!
Die geplünderten Felder
Reich an Ähren
Voll an Frucht
Übermaß an Äpfeln und Birnen
Ein Meer an natürlichen Köstlichkeiten
Ein Überangebot an Nahrungsmitteln
Ein gutes Jahr für Mensch und Tier
Doch als sie kamen,
um zu plündern,
zu fressen und zu vertilgen,
da war das Bild ein verheerendes.
Die Äste nackt,
die Rinde abgenagt,
Zweige umgeknickt.
Früchte aufgefressen und verschwunden,
auf Nimmerwiedersehen
den Weg alles Vergänglichen gegangen.
Die Felder brach und gebrochen,
ein Bildnis des Infernos
eines früheren Paradieses.
Prasselnder Regen in schweren Zeiten
Als war es nicht schon schwer genug,
gab es plötzlich einen Regenschub.
Es fielen große Wassermassen,
die so einiges erfassen.
Man dies nur sehr schwer ertrug!
Ein Spurwechsel mit Autounfall
Ein Rechtsanwalt muss schnell zur Arbeit,
auf ihn wartet ein komplizierter juristischer Streit.
Auf der Autobahn wechselt er die Spur
und macht dabei keine gute Figur.
Er touchiert ein fremdes Auto soweit.
Gordon Gekko im Gefängnis
Die Jagd nach dem schnellen Geld
endet auf dem Gefängnisfeld.
Dort schaut er aus den Gitterstäben
und wartet, dass sich neue Chancen ergeben.
Gordon schließlich was auf sich hält.
Das ewig drehende Band
Eine lange Menschenkette,
drängelnd, ungeduldig wartend.
Waren auf das Band zum Scanner,
ein Klickgeräusch,
das nächste Produkt.
Kassenzettel
Kaufpreis
Wechselgeld
Abschiedsfloskel
Nächster Kunde
Viele sauer und genervt,
Warten nicht ihre Stärke,
Anstellen eine Qual.
Das lassen sie die Kassiererin spüren.
Keine Begrüßung
Kein Dank
Unfreundliches Gesicht
Andere sind nett.
Eine Mischung
an Charakteren
an diesem Nachmittag.
Das Band rollt
in rasantem Tempo weiter.
Ein Fließband der Supermarktwaren,
es fließt und scannt.
Der Kassiererin brennen langsam die Augen,
Müdigkeit und Nackenschmerzen.
Noch ein paar Kunden,
dann schließt die Kasse,
Feierabend.
Der verrostete Morgenstern
Der verrostete Morgenstern
ist noch ganz hart im Kern.
Doch auf seiner Außenhülle
befindet sich eine Rostrille.
Eine Rostentfernung liegt nicht fern.
Der Spiegelsaal
(japanisches Tanka-Gedicht)
Spiegel zu Spiegel.
Unendlich oft gespiegelt,
aber immer kleiner.
Lüstergekröntes Ballflair
mit historischer Note.
Stets gut gesinnt und treu
(japanisches Tanka-Gedicht)
Ein Knäuel aus Pelz
Ständig lächeln um das Maul.
Treuer Gefährte.
Nie sieht man ihn schlecht gelaunt,
aufgebracht oder zornig.
Der perfekte Abgang von der Künstlerbühne
Die Versenkung im Bühnenboden
kann man nicht oft genug loben.
Schnell ist damit der Abgang möglich
und das ist manchmal auch bitter nötig
bei manchen schlechten Theaterproben.
Jede Untiefe und alle Launen
Den Mississippi
rauf und runter,
die Route altbekannt.
Er kennt jede Untiefe,
alle Launen des Flusses,
die Tücken,
die Gefahren,
das lauernde Ufer.
Der Dampfschiffskapitän auf Deck
die Sonne im Rücken,
den leichten Wind ins Gesicht,
so liebt er seine Arbeit.
Das Dampfschiff,
sein Ein und Alles,
mehr als das.
Der Fluss sein ständiger Begleiter,
sein flüssiger Kompagnon,
unzertrennlich die beiden.
Sie kennen sich gut,
begrüßen sich jeden Morgen,
sagen sich am Abend „Gute Nacht“
und tagsüber?
Miteinander arbeiten
gemeinsam,
in Eintracht und Harmonie.
Rücksicht nehmen,
aufmerksam sein.
Der eine,
wie der andere.
Das Schiff,
der Fluss,
der Kapitän,
eigentlich drei.
Das Triumvirat des Mississippis,
die glorreichen, fahrenden Drei.
Schluss
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